In den folgenden Kapiteln werden einige wichtige chronische Erkrankungen des Kindesalters zusammenfassend dargestellt. Dabei folgt die Gliederung den Punkten
- Überblick über die Erkrankung
- Behandlung/Behandelbarkeit
- Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz
- Risiko für eine Kindeswohlgefährdung
- Red Flags (Warnzeichen)
- Handlungsempfehlungen
Die einzelnen Kapitel sollen dazu dienen sich einen schnellen Überblick über die Erkrankung zu verschaffen, wenn man in Kontakt mit einem betroffenen Kind trifft. Darüber hinaus soll dieses Kapitel als Hilfestellung dienen welche Schritte bei Bekanntwerden einer Erkrankung eingeleitet werden sollen. Dabei ist zu betonen, dass es grundsätzlich fachlicher Standard ist mit den behandelnden Ärzt:innen in Kontakt zu treten und die weiteren Schritte abzustimmen.
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Adipositas (Übergewicht)
Bei einem BMI zwischen der 90. und 97. Perzentile handelt es sich um Übergewicht, oberhalb der 97. Perzentile um Adipositas und oberhalb der 99,5. Perzentile um extreme Adipositas. In den allermeisten Fällen ist das Übergewicht alimentär (durch zu viel oder falsche Nahrungsaufnahme) bedingt. 15 % der Kinder und Jugendlichen sind übergewichtig und 6,3 % adipös. Mit zunehmendem Alter steigt die Inzidenz an.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Eine Verringerung des BMI ist im Kindesalter bereits durch Halten des Gewichts bei weiterem Längenwachstum möglich. Nach Abschluss des Längenwachstums ist eine gezielte Gewichtsabnahme notwendig. Es wird eine langsame und langfristige BMI-Reduktion mit altersadäquater Mischkost und Begrenzung von süßen Speisen und Getränken sowie regelmäßiger sportlicher Betätigung und gesteigerter Alltagsaktivität angestrebt. Die Diagnostik, Beratung und Therapie sollte in einem multidisziplinären Team erfolgen. Die Teilnahme an altersentsprechenden Adipositasprogrammen ist für Kinder und ihre Eltern sinnvoll.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Durch Adipositas verursachte Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) sind vielfältig und betreffen neben dem Bewegungsapparat auch den Stoffwechsel und das Herz-Kreislauf-System.
- Insulinresistenz: Eine Insulinresistenz kann zu gestörter Glukosetoleranz und im Verlauf zu einem Diabetes mellitus Typ 2 führen (siehe auch Diabetes mellitus Typ 1).
- Bluthochdruck: Bei ca. 1/3 der übergewichtigen Kinder und Jugendlichen besteht ein arterieller Hypertonus (Bluthochdruck). Dadurch steigt das Risiko für Herzerkrankungen, Schlaganfall und Gefäßveränderungen.
- Fettstoffwechselstörung: Die mit dem Übergewicht einhergehende Fettstoffwechselstörung stellt unter anderem einen weiteren Risikofaktor für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen dar.
- Gastroenterologische Komorbiditäten: Eine Leberverfettung (Steatosis hepatis) ist eine sehr häufige Komorbidität bei adipösen Kindern und Jugendlichen. Kommt es zu einer Leberwerterhöhung handelt es sich bereits um eine Steatohepatitis hepatis mit entzündlicher Veränderung der Leber. Diese kann bis zu einem bindegewebigen Umbau der Leber (hepatische Fibrose) und Funktionseinschränkungen führen.
- Hyperurikämie: Eine Erhöhung der Harnsäure entsteht typischerweise durch den Verzehr von größeren Mengen tierischer Produkte. Im Erwachsenenalter sind Gichtanfälle durch Ausfällung der Harnsäure in Gelenken bekannt.
- Orthopädische Komorbiditäten: Durch das Missverhältnis zwischen Kraft der Knochen und der Muskulatur einerseits und des viel zu hohen Gewichtes andererseits, entwickeln sich häufig Veränderungen des Bewegungsapparates. Es können sich sogenannte X‑Beine (Genua valga), Hohlkreuz (lumbaler Hyperlordose) und Knick-Senk-Füßen (Pes planovalgus) entwickeln. Neben der dringend erforderlichen Gewichtsabnahme ist eine regelmäßige orthopädische Behandlung mit Einlagenversorgung und ggf. chirurgischen Maßnahmen erforderlich. Das Risiko steigt besonders für die jugendlichen Jungs eine Hüftkopflösung (Epiphysiolysis capitis femoris) zu bekommen.
- Pulmonologische Komorbiditäten: Durch die Adipositas bedingt kann es zu obstruktiven Schnarchen (upper airways resistance syndrome, UARS) und einem obstruktiven Schlafapnoesyndrom (OSAS) kommen. Unbehandelt leiden die Kinder und Jugendlichen dann unter Tagesmüdigkeit und Konzentrationsstörungen. Adipöse Kinder leiden zudem häufiger an obstruktiven Bronchitiden im Säuglings- und Kleinkindalter. Ein bestehendes Asthma bronchiale kann sich durch Adipositas verschlechtern.
- Geschlechtsspezifische Komorbiditäten: Sowohl Jungs als auch Mädchen entwickeln sehr häufig bleibende Dehnungsstreifen (Striae distensae). Mädchen zeigen häufiger eine präpubertäre Wachstumsbeschleunigung und kommen häufiger früher in die Pubertät. Mit der Adipositas steigt das Risiko ein polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS) zu entwickeln, was sich unter anderem in einem unregelmäßigen Zyklus äußert und einen signifikanten Einfluss auf die Fertilität (Fruchtbarkeit) im Erwachsenenalter haben kann. Jungs leiden kosmetisch oft sehr unter einer Fettgewebsvermehrung im Bereich der Brust (Lipomastie). Teilweise tritt auch eine Vergrößerung des Drüsengewebes der Brust (Gynäkomastie) auf. Durch die Fettschürze des Bauchfettes wirkt die Penislänge häufiger deutlich verkürzt (Hidden penis).
- Einschränkung der Lebensqualität: Kinder und Jugendliche mit Adipositas haben ein erhöhtes Risiko soziale und emotionale Auffälligkeiten zu entwickeln und psychisch zu erkranken. Kinder und Jugendliche erfahren in sehr vielen Fällen Diskriminierungen und erleben eine signifikant niedrigere Lebensqualität als normalgewichtige Gleichaltrige.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Da die meisten Formen der Adipositas durch falsche Ernährung zustande kommen, sind hier die Sorgeberechtigten in der Pflicht, zu einer Besserung beizutragen. Unterbleibt dieser Versuch, kann daraus eine Kindeswohlgefährdung resultieren. Darüber hinaus kann eine Adipositas ein Hinweis auf eine Traumatisierung oder andere Belastungssituationen des Kindes oder Jugendlichen sein, die als Folge zu Übergewicht führen.
Red Flags (Warnzeichen)
- Körpergewicht über der 97. Perzentile
- dunkle Hautveränderungen v. a. unter den Achseln (sog. Acantosis nigricans) als Zeichen einer Stoffwechselstörung
- vermehrtes Wasserlassen und Trinken
Handlungsempfehlungen
- Kontaktaufnahme zum/zur Behandler:in
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Anämien (Blutarmut)
Kindliche Anämie ist ein Mangel an rotem Blutfarbstoff (Hämoglobin). Sie kann im Rahmen verschiedenster Erkrankungen auftreten. So kann die verminderte oder gestörte Blutbildung, eine vermehrte Zerstörung von Erythrozyten oder ein anhaltender Blutverlust zu einer Anämie führen. Die häufigste Ursache ist die Eisenmangelanämie. Weitere Ursachen sind, v. a. in Familien mit Migrationshintergrund, Thalassämie und Sichelzellanämie. Die verminderte Aufnahme von Eisen und anderen Nährstoffen wie Vitamin B12 bei Darmerkrankungen wie Zöliakie kann ebenso zur Blutarmut führen wie chronische Verluste (z. B. im Rahmen einer verstärkten Menstruation). Anhaltende Entzündungsprozesse sind neben Tumorerkrankungen und Leukämien eine weitere Ursache für Anämien.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Die Behandlung unterscheidet sich nach der Ursache der Blutarmut. Ist die Ursache behandelbar (starke Menstruationsblutung, Entzündungen, Krebserkrankungen) steht diese im Vordergrund. Bei allen Anämieformen wird eine Optimierung des Eisen- und Vitamin B12-Haushalts angestrebt. Schwere Formen bedürfen teils wiederholter Bluttransfusionen, was eine bedrohliche chronische Eisenüberladung zur Folge haben kann.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Kurzfristig: Durch den Mangel an Hämoglobin ist der Transport von Sauerstoff ins Zielgewebe gestört. Folgen sind Kraftlosigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Herzrasen bis hin zum Kreislaufversagen und Bewusstseinsverlust.
Langfristig: Entwicklungsverzögerung und Wachstumsstillstand bei anhaltender Anämie. Außerdem bei wiederkehrenden Bluttransfusionen und mangelhafter begleitender (Chalator-) Therapie: Eiseneinlagerung in Organe (Leber, Herz, Schilddrüse, Bauchspeicheldrüse, Hoden/Eierstöcke, Gehirn) mit konsekutivem Organversagen. Folgen: Schilddrüsenunterfunktion, Diabetes mellitus, Herzschwäche, Leberzirrhose usw.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Das Risiko hängt maßgeblich von der zugrundeliegenden Störung ab. Hält eine ausgeprägte Anämie auf Grund mangelnder medizinischer Fürsorge länger an, kann die kognitive und körperliche Entwicklung nachhaltig gestört sein. Werden Medikamente zur Besserung der Anämie (z. B. Vitamin B12 oder Eisen) bzw. Therapien zur Verhinderung einer Eisenüberladung (s. o) nicht verabreicht oder Kontrolltermine wiederholt nicht wahrgenommen, kann eine Kindeswohlgefährdung resultieren.
Red Flags (Warnzeichen)
- Organversagen durch Eisenüberladung bei fehlender Therapieadhärenz
- Wachstums- und Entwicklungsstörungen trotz adäquater therapeutischer Anbindung
Handlungsempfehlungen
- Kontaktaufnahme zum/zur Behandler:in
- Weitere, detailliertere Informationen: https://www.kinderblutkrankheiten.de/erkrankungen/rote_blutzellen/anaemien_blutarmut/
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Anorexia nervosa (Magersucht)
Die Magersucht (Anorexia nervosa) gehört zusammen mit der Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) und der Binge-Eating-Störung zu den Essstörungen. Bei allen Störungen liegt ein problematischer Umgang mit dem Verzehr von Nahrungsmitteln und dem eigenen Selbstbild vor. Während bei der Anorexie das Untergewicht dominiert, stehen bei der Bulimie Heißhungerattacken mit selbstinduziertem Erbrechen bei normalem Körpergewicht im Vordergrund. Die Binge-Eating-Störung ist durch Heißhungerattacken (ohne Erbrechen) und konsekutives Übergewicht geprägt. Viele Patient:innen mit einer Essstörung berichten von traumatischen Erlebnissen. Pathologische familiäre Strukturen sind häufig mit besonderer Schwere der Essstörungen und deren Chronifizierung assoziiert. Aufgrund der klinischen Bedeutung (Sterblichkeit 5–20 %) spielt die Anorexie unter den Erkrankungen eine besondere Rolle. Bei der Anorexie wird ein massiver Gewichtsverlust absichtlich herbeigeführt (durch reduzierte Nahrungsaufnahme, Abführmittel, selbstinduziertes Erbrechen und/oder übertriebene körperliche Aktivität). Die Störung betrifft zumeist Mädchen in der Adoleszenz (13–16 Jahre), wobei auch zunehmend Jungen betroffen sind. Im Vordergrund steht die Körperschemastörung mit der Angst vor einem zu dicken Körper. Diese Angst besteht unabhängig vom Körpergewicht als tiefverwurzelte, überwertige Idee.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Die primäre akute Therapie ist stets die Erhöhung der Nahrungsaufnahme, um der lebensgefährlichen Auszehrung entgegenzuwirken. Die Ziele der Behandlung sind die Wiederherstellung und das Halten eines für Alter und Größe angemessenen Körpergewichts, eine Normalisierung des Essverhaltens, die Behandlung körperlicher Folgen und eine Verbesserung der familiären/sozialen Strukturen. In Abhängigkeit von der Schwere kommen im ambulanten, tagesklinischen oder stationären Setting Psychotherapiekonzepte zum Einsatz. Auch langfristig sollte mithilfe von Psychotherapie und ‑edukation ein stabiler Zustand sichergestellt werden.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Aufgrund der Unterernährung kann es zu zahlreichen lebensbedrohlichen Komplikationen kommen. Sekundär führt die Unterernährung zu hormonellen und Stoffwechselveränderungen mit Störung der Körperfunktionen, wie z. B. Herzrhythmusstörungen, Ausbleiben der Regelblutung. Zudem können psychiatrische Komplikationen, wie z. B. Depressionen und Suizid auftreten.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Patient:innen mit Anorexie stehen häufig unter hohem Druck ihrer Eltern hinsichtlich der Nahrungsaufnahme. Dies führt zu Spannungen innerhalb des Familiensystems und kann zu einer Überforderung der Eltern führen und das Risiko für eine emotionale Vernachlässigung erhöhen. Kümmern sich die Eltern hingegen nicht ausreichend um eine ausreichende Nahrungsaufnahme und bleibt der Gewichtsverlust ohne therapeutische Konsequenz, kann dies lebensbedrohliche Konsequenzen für die betroffenen Kinder haben.
Red Flags (Warnzeichen)
- starkes Untergewicht (BMI < 17)
- Schwindel/Ohnmachtsanfälle
- übermäßiges Sporttreiben
Handlungsempfehlungen
- Kontaktaufnahme zum/zur Behandler:in
- Weitere, detailliertere Informationen: https://www.anad.de/essstoerungen/magersucht-anorexia-nervosa/
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Asthma bronchiale
Unter Asthma versteht man eine Überempfindlichkeit der luftleitenden Atemwege (Bronchialsystem). Dabei kommt es zu immer wiederkehrenden Episoden, bei denen sich die Atemwege verengen und das Atmen schwerfällt. Darüber hinaus schwillt die Bronchialschleim-haut an und produziert vermehrt schlecht abzuhustenden Schleim. Die auslösenden Faktoren können vielfältig sein. Mögliche Trigger sind: allergische Reaktion, Infektion, seelische und körperliche Belastung, Kälte, Tabakrauch. Ein Asthmaanfall geht für Betroffene mit dem Gefühl des Erstickens einher und bedeutet stärksten physischen und psychischen Stress. Ein schwer verlaufender Asthmaanfall kann die Atmung so stark beeinträchtigen, dass die Betroffenen einen Sauerstoffmangel erleiden und versterben. Anzeichen für einen drohenden Asthmaanfall sind Unruhe, Kurzatmigkeit, lautes Atemgeräusch, Husten und Engegefühl in der Brust.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Durch eine gut gesteuerte Therapie kann das Asthma i. d. R. gut unter Kontrolle gebracht werden, die Anzahl der Anfälle verringert und Konsequenzen verhindert werden. Die Basis der Therapie bilden dabei i. d. R. Inhalationssprays mit verschiedenen Wirkstoffen. Hinzukommen können Medikamente in Form von Tabletten und Spritzen. Da die Therapie regelmäßig an den Schweregrad der Erkrankung angepasst werden muss sind Kontrolltermine beim behandelnden Arzt notwendig. Ein gut kontrolliertes Asthma steht einer normalen Entwicklung des Kindes i. d. R. nicht im Weg.
Verhalten bei Asthmanfall:
- Notruf (112) rufen
- Kind aufrecht hinsetzen, Arme auf Oberschenkeln abstützen lassen
- Notfallmedikamente geben (i. d. R. „Asthmaspray“)
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Eine schlecht auf die Krankheitsschwere eingestellte Therapie geht für die Betroffenen mit häufigen Anfällen einher, die eine große körperliche und seelische Belastung darstellen. Die Betroffenen sind i. d. R. weniger leistungsfähig, bekommen Schlafprobleme und entwickeln sich langsamer. Ein nicht therapierter schwerer Asthmaanfall kann zum Tod des Kindes durch Ersticken führen.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Zur Aufsicht eines Kindes mit Asthma gehört dazu, die Notfallmedikamente griffbereit zu haben. Dadurch ist die Krankheit im Alltag sehr präsent. Verbunden mit häufigen Arztterminen kann dies zur Überforderung der Eltern beitragen, was das Risiko für eine Kindeswohlgefährdung erhöht.
Red Flags (Warnzeichen)
- regelmäßige Asthmaanfälle
- Fehlen eines Therapieplanes
- Fehlen von Notfallmedikamenten
Handlungsempfehlungen
- Kontaktaufnahme zum/zur Behandler:in
- Weitere, detailliertere Informationen: https://www.asthma.de/kinderwelt/asthma
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen handelt es sich um langwierige und wiederkehrende Entzündungen unterschiedlicher Bereiche des Darms, die ein Leben lang zu wiederkehrenden Entzündungsschüben führen kann. Die Ursachen für die Überreaktion des Immunsystems sind vielfältig. Die Betroffenen leiden an häufigen, teilweise blutigen Durchfällen, Bauchschmerzen und Gedeihstörung. Manche dieser Erkrankungen gehen mit weiteren Organbeteiligungen wie der Haut oder der Leber einher oder sind mit anderen Autoimmunerkrankungen vergesellschaftet. Für Kinder mit einer CED ist eine enge Anbindung an erfahrene Kinderärzt:innen und Kindergastroenterolog:innen wichtig, um neben einer Beschwerdefreiheit auch möglichst wenig Nebenwirkungen zu haben.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Bei der Symptomkontrolle können diätetische Maßnahmen helfen Es können jedoch auch immunsystemhemmende Medikamente, entweder direkt im Darm oder systemisch angewendet, notwendig werden. Diese führen zu einer erhöhten Infektanfälligkeit und können Nebenwirkungen haben. Zudem sollte die körperliche Entwicklung kontrolliert werden, um mögliche Unterversorgung durch entzündliche Prozesse im Darm frühzeitig zu entdecken. Für die Zukunft der Kinder ist die enge Betreuung und frühe Feststellung von Entzündungsschüben von herausragender Bedeutung.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Bei ungenügend eingestellter Erkrankung kann es zu einer Ausbreitung der Entzündung und schlechten Aufnahme der Nährstoffe im Darm kommen, was zu Einbußen der Entwicklung führen kann. Die Durchfälle und Bauchschmerzen können zu einem Schulabsentismus führen. Insbesondere im Jugendalter können die Symptome der Erkrankung zudem sozial isolierend wirken.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Neben den körperlichen Belastungen ist die chronische Erkrankung und tägliche Medikamenteneinnahme häufig auch eine psychosoziale Herausforderung.Die Medikamenteneinnahmen und Therapiekontrollen sind zeitaufwendig. Dies kann zu einer Überforderung der Eltern beitragen, was das Risiko für eine Kindeswohlgefährdung erhöht.
Red Flags (Warnzeichen)
- Gewichtsstagnation/Verlust
- dauerhafte Beschwerden
- Fehlen eines Medikamentenplanes
- Verpassen der regelmäßigen Termine
- soziale Isolation/Schulabsentismus
Handlungsempfehlungen
- Kontaktaufnahme zum/zur Behandler:in
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Chronische Schmerzstörungen
Durch cS kann es zu schweren Beeinträchtigung des Alltags durch chronische Schmerzen des Bewegungsapparats (> 3 Monate) kommen, ohne erkennbare organisches Ursache und bei normalen Laborwerten. Es handelt sich auf Grund der ähnlichen Symptome um eine wichtige Differentialdiagnose rheumatischer und orthopädischer Krankheitsbilder. Daher muss vor Diagnosestellung eine ausführliche multidisziplinäre Diagnostik erfolgen, die Blutentnahmen, radiologische Bildgebung und eine interdisziplinäre Fallbesprechung beinhalten sollte. Die cS kann lokalisiert (an einer Extremität oder am Rücken) oder generalisiert im Rahmen eines sog. primären juvenilen Fibromyalgiesyndroms auftreten. Es handelt sich um ein zunehmendes Phänomen, Mädchen sind deutlich häufiger betroffen als Jungen. Die Ursachen sind weitestgehend unklar, eine Mischung aus körpereigenen Faktoren (z.B. weibliches Geschlecht, frühe Pubertät, vegetative Störungen usw.) und äußeren Einflüssen (frühere Schmerzerfahrung, psychosoziale Stressfaktoren) wird vermutet.
Therapie/Monitoring:
Schmerzmittel (Ibuprofen, Paracetamol usw.) möglichst nur kurz und nur, wenn sie einen guten Effekt haben. Kein Einsatz von Opiaten. Eine multimodale Therapie aus Physio‑, Ergo- und insbesondere Psychotherapie ist empfehlenswert. Schrittweise Wiedereingliederung in die Schule und Freizeitsport.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Die Prognose den lokalisierten cS bei Kindern ist bei früher Diagnosestellung und leitliniengerechter Therapie sehr gut: 90% zeigen eine komplette Ausheilung. Die Prognose verschlechtert sich dramatisch bei langer Fehlbehandlung mit passiver Ruhigstellung (z.B. Gips). Beim juvenilen Fibromyalgiesyndrom ist die Behandlung häufig langwierig und von Rückfällen geprägt. Bei 2/3 der Jugendlichen kann jedoch eine deutliche Stabilisierung mit weitestgehend normaler Teilnahme am Alltag erreicht werden. Viele Patienten werden jedoch nicht vollständig schmerzfrei.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Das Risiko einer KWG steigt, wenn Dauerschmerzen mit starken maximalen Schmerzspitzen, ohne ausreichendes Ansprechen auf Schmerzmittel. Teils starke Beeinträchtigung von Gelenkfunktionen (z.B. Gehunfähigkeit) und Schmerzen führen zu sozialem Rückzug, Schulfehlzeiten und Depression. Vegetative Begleitphänomene (Kopf- u. Bauchschmerzen, Schwindel und Schlafstörungen) können die psychosozialen Probleme verstärken. Die Familien sind dadurch häufig über Jahre hinweg erheblichen Belastungen ausgesetzt.
Red Flags (Warnzeichen)
- Therapieresistente Schmerzen ohne auffindbare Ursache
- Schulabsentismus wg. Schmerzen
- Depressionen im Rahmen von Schmerzsyndromen
Handlungsempfehlungen
- Diagnostik zum Ausschluss von behandelbaren Erkrankungen
- Multidisziplinäres Behandlungskonzept (inkl. Psychotherapie)
- Schrittweise Wiedereingliederung
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Depression
Depressive Episoden zeigen sich bei Kindern und Jugendlichen häufig durch altersabhängige Auffälligkeiten. Klassische depressive Symptome sind: Gedrückte Stimmung, Interessenverlust und Antriebsminderung. Die Fähigkeit zur Freude, die Konzentration, der Schlaf und Selbstwertgefühl können beeinträchtigt sein. Bei Kindern und Jugendlichen können die klassischen depressiven Symptome deutlich weniger stark ausgeprägt sein. Nicht selten überwiegen Symptome, die einem ADHS ähneln (z. B. Konzentrationsschwäche, Aggressivität). In Abhängigkeit vom Alter steht u. a. folgende Symptomatik im Vordergrund:
- Kleinkindalter (1–3 Jahre): Überanhänglichkeit, Teilnahmslosigkeit, Spielunlust.
- Vorschulalter (3–6 Jahre): Teilnahmslosigkeit, Ess- und Schlafstörungen, Stimmungslabilität, auffallende Ängstlichkeit.
- Schulkinder (6–12 Jahre): Berichte über Traurigkeit, Schuldgefühle, Suizidgedanken.
- Pubertäts- und Jugendalter (13–18 Jahre): Selbstzweifel, Ängste, Suizidgedanken, Isolation, psychosomatische Beschwerden (z. B. Kopf- oder Bauchschmerzen).
Häufig geht eine Depression bei Kindern und Jugendlichen mit anderen psychischen Erkrankungen einher, wie z. B. Angststörungen, somatoforme Störungen, ADHS. Kinder mit entsprechendem genetischem Risiko erkranken in einer ungünstigen psychosozialen Umgebung häufiger an Depressionen. Als psychosoziale Risikofaktoren gelten Erkrankungen der Eltern sowie Vernachlässigung, Misshandlung, und Kommunikationsprobleme in der Familie.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Die Therapie besteht meistens aus Aufklärung über die Erkrankung, Psychotherapie unter Einbeziehung der Familie und ggf. medikamentöser Therapie. Bei hohem Suizidrisiko kann eine stationäre Behandlung erforderlich sein. Für Eltern kann es hilfreich sein sich in einer speziellen Elterngruppe mit anderen betroffenen Eltern auszutauschen.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Auch, wenn Suizide im Kindesalter noch sehr selten sind, so zählen sie im Jugendalter zu den häufigsten Todesursachen. Suizidale Gedanken sind ein Symptom der Depression: Bei Jugendlichen besteht bei Depression ein bis zu 20-fach erhöhtes Risiko für suizidales Verhalten. Für depressive Symptome im Kindes- und Jugendalter besteht ein ca. 80-prozentiges Chronifizierungsrisiko.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Die vielfältigen Verhaltensauffälligkeiten im Rahmen einer Depression können den Umgang mit betroffenen Kindern sehr erschweren. Die Eltern sind in besonderer Weise zu Einfühlungsvermögen und Verständnis gezwungen. Dies kann zu erheblichen Spannungen im Familiensystem führen. Häufig fühlen sich die Eltern hilflos und überfordert. Insbesondere bei Chronifizierung reagieren Eltern häufig mit Resignation, woraus eine Vernachlässigung des Kindes resultieren kann.
Red Flags (Warnzeichen)
- Suiziddrohungen und ‑ankündigungen
- große Hoffnungslosigkeit
- Angelegenheiten ordnen, Abschied nehmen
Handlungsempfehlungen
- Sprechen Sie das Thema an
- Bieten Sie Unterstützung an
- Kontaktaufnahme zum/zur Behandler:in oder Notruf
- Weitere, detailliertere Informationen: https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/depression-in-verschiedenen-facetten/depression-im-kindes-und-jugendalter
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Diabetes mellitus Typ 1
Diabetes mellitus Typ 1 (DM 1) ist eine genetisch bedingte Autoimmunkrankheit, der ein Untergang von Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zu Grund liegt. DM 1 führt meist krisenhaft beginnend im Kindes- oder Jugendalter zu einer Störung des Zuckerstoffwechsels. Der Blutzucker (BZ) ist erhöht und muss über synthetisches Insulin gesenkt werden. Folgen der Erkrankung sind Gefäßschäden und meist nach mehreren Jahrzehnten Verlust der Sehkraft, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Nierenschäden.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Zur Behandlung wird Insulin in das Unterhautfettgewebe gespritzt. Voraussetzung für eine gute Einstellung des DM 1 sind regelmäßige Blutzuckermessungen und an die Mahlzeiten angepasste Insulingaben. Insulinpumpen und moderne Systeme zur kontinuierlichen BZ-Messung können die Anzahl an Punktionen vermindern und die Einstellung verbessern. Voraussetzung für eine gute Behandlung des DM 1 sind intensive Schulungen der Eltern und des Kindes. Ist die Erkrankung gut eingestellt, kann im Labor ein niedriger HbA1c-Wert (Ziel < 7,5 %) gemessen werden.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Kurzfristig: Unterzucker (Hypoglykämie) und Koma bei inadäquat hoher Insulinmenge. Überzucker (Hyperglykämie) und drohende Ketoazidose (gefährliche Stoffwechselentgleisung) bei fehlender/inadäquat niedriger Insulinmenge bzw. schlechter Anpassung an Mahlzeiten.
Langfristig: Gefäßschäden und meist nach mehreren Jahrzehnten Verlust der Sehkraft, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Nierenschäden. Je schlechter die Einstellung, desto früher.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
DM 1 ist als schwerwiegende chronische Erkrankung als Belastung für die Familie einzustufen. Bei bereits zuvor belasteten Familien können die Anforderungen die Ressourcen übersteigen. Besonders zu Beginn, bei einschneidenden Lebensereignissen und in der Pubertät kann es zu Therapieproblemen oder ‑verweigerung kommen.
Red Flags (Warnzeichen)
- Unterzucker: Zittern, Kaltschweißigkeit, Benommenheit, Koma. Blutzuckerwerte < 50 mg/dl.
- Überzucker: Durst, ständiges Wasserlassen, Übelkeit, Kopfschmerzen, Koma
- HbA1c-Wert > 10 % über 6–12 Monate, häufige Entgleisungen (Über- oder Unterzuckerung) bei ausreichender Behandlung und Schulung
Handlungsempfehlungen
- Weitere, detailliertere medizinische Informationen und eine Handreichung für Mitarbeiter:innen des Jugendamts: http://www.ppag-kinderdiabetes.de/de/stellungnahmen.veroeffentlichungen/
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Epilepsie
Als Epilepsie wird das Wiederkehren epileptischer Anfälle durch Überaktivität der Nervenzellen im Gehirn bezeichnet. Nur ca. 0,5 % der Kinder haben eine Epilepsie, während bis zu 5 % der Kinder mindestens einmal einen Krampfanfall erleiden, z. B. im Rahmen eines Fieberkrampfes. Unter Epilepsie werden verschiedene Krankheitsbilder zusammengefasst. Unterschieden wird dabei zwischen fokalen Epilepsien, bei denen lediglich ein Teil des Gehirns betroffen ist und es z. B. zu Zuckungen einzelner Körperteile kommt, und generalisierten Epilepsien, die z. B. bei der häufigen juvenilen Absence-Epilepsie mit mehrmals täglichen, kurzen Aussetzern des Bewusstseins einhergehen.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Die Prognose ist für die unterschiedlichen Epilepsieformen sehr unterschiedlich. Bei etwa 70 % der Kinder kann durch die Therapie Anfallsfreiheit erreicht werden und die Kinder sind geistig normal entwickelt und ebenso intelligent wie Kinder ohne Epilepsie. Meistens müssen die Kinder dafür täglich Medikamente, sogenannte Antiepileptika einnehmen. Möglich ist auch eine ketogene Diät, bei der die Kinder zugunsten von Fetten auf kohlenhydratreiche Kost verzichten.
Verhalten bei Krampfanfall:
- Ruhe bewahren. Die meisten Anfälle klingen von alleine wieder ab
- Gegenstände aus dem Umfeld des Kindes räumen
- Kind nicht festhalten
- Bei Anfällen über 3 Minuten Notfallmedikament (Diazepam-Zäpfchen rektal oder Midazolam in die Wangentasche) geben
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Wird die antiepileptische Therapie nicht konsequent durchgeführt kann es zur Häufung der Anfälle kommen. Häufige Anfälle sind für die Kinder körperlich und psychisch sehr belastend. Die Folgen sind Konzentrationsstörungen und Leistungsverlust, ein schwaches Selbstwertgefühl und Ängste vor dem nächsten Anfall, wodurch häufig auf Aktivitäten wie Sport verzichtet wird. Hinzukommt ein erhöhtes Verletzungsrisiko, z. B. durch anfallsbedingte Stürze.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Bis zu 80 % der Kinder mit Epilepsie sind durchschnittlich intelligent und könnten daher die ihnen entsprechende Regelschule besuchen und einen normalen Alltag leben. Eine unzureichende Therapieadhärenz mit gehäuften Anfällen hindert die betroffenen Kinder in ihren Entwicklungsmöglichkeiten und stellen somit eine Kindeswohlgefährdung dar.
Red Flags (Warnzeichen)
- gehäufte Anfälle
- unklarer Therapieplan
- Tabuisierung und Negierung der Erkrankung
Handlungsempfehlungen
- Kontaktaufnahme zum/zur Behandler:in
- Weitere, detailliertere Informationen: https://www.kinderaerzte-im-netz.de/krankheiten/epilepsie/was-ist-epilepsie/
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Frühgeburtlichkeit
Etwa 6 bis 8 % aller Kinder kommen in Deutschland zu früh, d.h. vor der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt. Das sind 50.000 – 60.000 Frühchen pro Jahr. Unter ihnen sind etwa 10 % mit einem Geburtsgewicht unter 1.500 g (sehr unreif geborene Babys) und 5 % mit einem Geburtsgewicht unter 1.000 g (extrem unreif geborenen Babys). Die Unreife des Neugeborenen stellt ein erhebliches Risiko für die körperliche, geistige und psychische Entwicklung dar.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Die Behandlung von extrem unreifen Frühgeborenen auf einer entsprechend spezialisierten Intensivstation (Neonatologie) ist sehr komplex. Frühgeborene sind von akuten Frühgeburtskomplikationen bedroht, wie z. B.Neonatales Atemnotsyndrom (RDS), Bronchopulmonale Dysplasie (BPD), Hirnblutung (IVH), periventrikuläre Leukomalazie (PVL), nekrotisierende Enterokolitis (NEC), persistierender Ductus arteriosus (PDA), und Frühgeborenenretinopathie (ROP). Die Dauer der Behandlung entspricht häufig dem Zeitraum bis zu dem eigentlich errechneten Geburtstermin.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Aus medizinischer Sicht ist zur Prävention von Erkrankungen, zu dessen Früherkennung und zur rechtzeitigen Einleitung erforderlicher therapeutischer Maßnahmen eine kontinuierliche und hinreichende engmaschige Nachsorge wünschenswert. Im Anschluss an die stationäre Behandlung von sehr kleinen Frühgeborenen wird diesen Kindern bis zum Alter von zwei Jahren eine zusätzliche Anbindung in einer speziellen Frühgeborenennachsorgesprechstunde von den jeweiligen Zentren angeboten. Der Fokus der Nachsorge sollte über die somatischen und neurologischen Untersuchungen hinausgehen und entwicklungspsychologische Methoden zur Identifikation von Lern- und Verhaltensproblemen sowie zur Einschätzung der Eltern-Kind-Beziehung und Familienbelastungen miteinbeziehen. Die Nachsorge muss individuell auf die Probleme des Kindes und die elterlichen Bedürfnisse abgestimmt werden. Die Nachsorgeprogramme umfassen u. a. Krankengymnastik, Ergotherapie, Frühförderung, Logopädie und psychotherapeutische Eltern-Kind-Behandlung.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Das Risiko hängt maßgeblich von der zugrundeliegenden Erkrankung oder Beeinträchtigung ab. Bei bereits zuvor belasteten Familien können die Anforderungen die Ressourcen übersteigen. Werden z. B. medizinische Kontrolltermine und therapeutische Behandlungen wiederholt nicht wahrgenommen, kann eine Kindeswohlgefährdung resultieren.
Red Flags (Warnzeichen)
- extreme Frühgeburt
- körperliche, geistige und psychische Entwicklungsverzögerungen
Handlungsempfehlungen
- Vorstellung in Frühgeborenennachsorgesprechstunde
- Sozialmedizinische Nachsorge
- Frühförderung
- Kleinkindpsychotherapie
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Hepatitis
Hepatitis ist eine meistens durch Viren verursachte Entzündung der Leber. Die Hepatitisviren werden alphabetisch von A‑E eingeteilt, wobei i. d. R. nur die Viren B und C einen chronischen Verlauf aufweisen. Eine Infektion mit Hepatitisviren kann zu einem akuten Leberversagen führen und chronifizieren, d.h. die Erkrankung heilt nicht von selbst aus, sondern kann eine Entzündung über Jahrzehnte verursachen, die dann zu einem Umbau der Leber bis hin zur Notwendigkeit einer Lebertransplantation führen kann und ein hohes Risiko der Entwicklung eines Leberkrebses mit sich trägt. Die Übertragung der Hepatitisviren geschieht bei Kindern meistens von einer infizierten Mutter auf ihr Kind während der Geburt. Möglich ist eine Infektion auch über den Kontakt verletzter Haut mit infiziertem Blut, durch ungeschützten Geschlechtsverkehr und infizierte Nadeln z. B. Drogenkonsum). Kinder mit einer chronischen Hepatitis haben häufig keine Symptome. Mögliche Symptome sind Leistungsschwäche, Müdigkeit, Verdauungsbeschwerden, Gelenkschmerzen.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Da Infektionen mit Hepatitis B und C im Kindes- und insbesondere im Säuglingsalter häufig chronifizieren kann versucht werden, diese zu behandeln. Eine Heilung ist im Falle einer Hepatitis-B-Infektion allerdings bei weniger als 50 % der Betroffenen möglich. Eine Therapie muss nicht in jedem Fall eingeleitet werden, sondern wird individuell von den behandelnden Ärzt:innen entschieden. Wichtig sind regelmäßige Kontrolltermine, um mögliche Komplikationen frühzeitig zu erkennen und behandeln zu können. Zum Schutz gegen Hepatitis B steht eine Impfung zur Verfügung, die am Ende des 2. Lebensmonats empfohlen ist. Im Falle einer infizierten Schwangeren steht ein spezieller Impfstoff zum Schutz des Neugeborenen zur Verfügung. Im Falle einer chronischen Hepatitis C liegt die Heilungsrate bei über 90 % und wird angestrebt. Eine Impfung gegen Hepatitis C gibt es nicht.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Eine nicht behandelte Hepatitis erhöht langfristig das Risiko für eine unumkehrbare Leberfunktionsstörung. Eine Heilung bietet in solchen Fällen nur noch eine Lebertransplantation. Zusätzlich haben betroffene ein ca. 100-fach erhöhtes Risiko für die Entstehung von Leberkrebs und können u. U. weitere Personen infizieren.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Die Notwendigkeit der regelmäßigen Medikamenteneinnahme und häufige Arzttermine können eine Überforderung der Eltern begünstigen. Als Infektionserkrankung ist die Hepatitis häufig mit Stigmata belegt, was mit Schamgefühlen der Eltern einhergehen kann. Möglich ist, dass Eltern versuchen die Erkrankung geheim zu halten und als große emotionale Belastung empfinden. Häufig hat sich das betroffene Kind bei der Mutter angesteckt, was zu ausgeprägten Schuldgefühlen führen kann. Ein Großteil der Infizierten Erwachsenen hat sich durch Drogengebrauch (infizierte Spritzen) angesteckt.
Red Flags (Warnzeichen)
- mangelnde Kenntnis des Behandlungsplanes
- Gelbfärbung von Augen und Haut
- drogenabhängige Eltern
Handlungsempfehlungen
- Kontaktaufnahme zum/zur Behandler:in
- Weitere, detailliertere Informationen: https://www.marien-hospital-witten.de/fachabteilungen/kinder-und-jugendklinik/infektiologie/angeborene-infektionen.html
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
HIV / AIDS
Humanes Immundefizienz-Virus / Acquired Immunodeficiency Syndrom
Nach einer Infektion mit dem HI-Virus kann es zu der Erkrankung AIDS kommen. Ein Kind kann sich während der Geburt oder beim Stillen bei der infizierten Mutter anstecken. Weitere Übertragungswege sind sexueller Kontakt sowie direkter Blutkontakt. Andere Körperflüssigkeiten sind nicht ansteckend. Während der ersten Zeit treten kaum Krankheitszeichen auf und man spricht von einer HIV-Infektion. Erst mit dem Auftreten bestimmter Infektionen oder Tumoren spricht man von AIDS. Das Virus befällt bestimmte Zellen des Immunsystems, welches dadurch seine Funktion verliert. Durch die mangelnde Immunabwehr kommt es zum Ausbrechen von lebensbedrohlichen Infektionen, die vom Körper nicht bekämpft werden können.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Zur Behandlung wird eine medikamentöse Kombinationstherapie eingesetzt, die als cART bezeichnet wird (combined Anti-Retroviral Therapy). Patienten mit hoher Therapieadhärenz haben inzwischen eine ähnliche Lebenserwartung wie die Allgemeinbevölkerung und sind für andere Menschen nicht ansteckend. Auch das Übertragungsrisiko einer schwangeren Mutter auf ihr Kind kann somit auf unter 1 % gesenkt werden. Zwar kann das Vorliegen der HIV-Infektion nicht geheilt werden, aber das Fortschreiten ins AIDS-Stadium kann verhindert werden. Durch die Bestimmung der Viruslast ist es möglich die Krankheitsaktivität und Ansteckungsgefahr eines Patienten zu bestimmen und somit auch die Einhaltung der Therapie zu beurteilen. Bei der Einnahme der täglich einzunehmenden Medikamente ist sehr genau auf die Zeiten zu achten. Nebenwirkungen können Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sein. Wenn die Erkrankung doch ins AIDS-Stadium übergeht, ist das Leben der Kinder durch häufige Infektionen, Arzttermine, Krankenhausaufenthalte und aufwändige Therapien bestimmt.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Wird die Therapie nicht umgesetzt, schreitet die Infektion in das AIDS-Stadium fort. In diesem kommt es zu Infektionen prinzipiell aller Organe, die aufgrund der fehlenden Funktion des Immunsystems meistens zum Tode führen.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Die Krankheit ist insbesondere durch die tägliche Medikamenteneinnahme sehr präsent und häufig mit Scham behaftet. Eltern halten die Diagnose häufig geheim. Bei Bekanntwerden reagiert das Umfeld häufig mit Angst. Bei der Therapie gilt es viel zu beachten, was das Risiko für eine Überforderung der Eltern erhöht.
Red Flags (Warnzeichen)
- Fehlen eines Medikamentenplanes
- häufige Infektionen
- nicht wahr haben wollen der Erkrankung
Handlungsempfehlungen
- Kontaktaufnahme zum/zur Behandler:in
- Weitere, detailliertere Informationen: www.kinder-aids.de
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Krebserkrankungen
Im Kindes- und Jugendalter sind Krebserkrankungen sehr selten. Sie machen insgesamt nur 1% aller Erkrankungen in dieser Altersgruppe aus. Dennoch ist Krebs die am häufigsten auftretende tödliche Krankheit bei Kindern und Jugendlichen. In Deutschland sind jedes Jahr etwa 2.200 Patienten unter 18 Jahren davon betroffen. Die häufigsten Krebserkrankungen sind Leukämien mit etwa 30%, gefolgt von Tumoren des Zentralnervensystems (Hirntumoren) mit etwa 24% und Lymphomen mit ungefähr 14%. Verhältnismäßig häufig sind auch Weichgewebssarkome (circa 5,7%), das Neuroblastom (circa 5,5%) und das Nephroblastom (Wilms-Tumor, 4,2%). Krebserkrankungen, die bei Kindern auftreten, unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von Krebserkrankungen bei Erwachsenen. Dies betrifft sowohl die Art der Erkrankungen als auch die Häufigkeit ihres Auftretens, die Art der Behandlung und die Prognose. Auch können Kinder und Jugendliche in der Regel erfolgreicher behandelt werden als Erwachsene.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen werden mit einer Chemotherapie behandelt. Je nach Erkrankung und Schwere wird ein Therapieplan gestrickt, der meist Tag genau eingehalten werden muss. Die Therapie bei Krebserkrankung verläuft über mehrere Wochen bis Monate. Im Anschluss kann es bei einigen Krebserkrankungen wie z. B. der Leukämie eine Strahlentherapie erfolgen. Die Therapie Blöcke sind in stationären sowie ambulante Behandlungen aufgeteilt. Die Nebenwirkungen der Therapie wie z. B. Erbrechen, Durchfall und Fieber werden symptomatisch behandelt. Zu jedem Therapieplan erhalten die Eltern eine Bedarfsmedikation für die Behandlung der Nebenwirkungen. Zusätzlich müssen in der Ernährung auf Produkte verzichtet werden, die Sporen von Pilzen erhalten können, wie z. B. Nüsse oder Erdbeeren. Die Patient:innen sind während der Akutbehandlung immungeschwächt und dürfen häufig nicht die Kita oder Schule besuchen oder der Ausbildung nachgehen.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Bei Nichtbefolgen der medikamentösen Therapie kann es zu Fortschreiten oder Rückfällen der Erkrankung kommen und somit regelmäßig zu lebensbedrohlichen Situationen. Werden die hygienischen Vorgaben missachtet, können gefährliche Infektionen auftreten.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Das Risiko für eine Kindeswohlgefährdung ist insbesondere dann erhöht, wenn die Belastung durch die anspruchsvolle und nebenwirkungsreiche Therapie die familiären Ressourcen übersteigt. Kinder aus Familien mit besonderen weltanschaulichen Vorstellungen (z. B. beim Ablehnen von Bluttransfusionen) können besonders gefährdet sein.
Red Flags (Warnzeichen)
- Fieber unter Chemotherapie
- Nackensteifigkeit
- Schläfrigkeit/Bewusstseinsstörungen
- Ablehnung der Therapie bei nachgewiesener maligner Erkrankung
Handlungsempfehlungen
- Vorstellung in einer Notaufnahme
- Kontaktaufnahme zum/zur Behandler:in
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Migräne / Chronischer Kopfschmerz
Als Kopfschmerzen werden verschiedene Schmerzeindrücke im Bereich des Kopfes zusammengefasst. Die häufigsten primären Kopfschmerzarten sind der Spannungskopfschmerz (ca. 70 %) und die Migräne (ca. 13 %). Der Spannungskopfschmerz tritt meist beidseitig auf. Er kann sporadisch oder über mehrere Tage hinweg auftreten. Bei der Migräne handelt es sich um einen rezidivierend auftretenden, oft einseitig lokalisierten Kopfschmerz, welcher oftmals mit Übelkeit, Erbrechen, Lärm- und Lichtempfindlichkeit einhergeht. In etwa 10–30 % der Fälle kommt es dabei zu Aura-Phänomenen. Damit werden reversible neurologische Ausfälle wie z. B. Sehstörungen oder Muskelschwächen bezeichnet, die nicht länger als eine Stunde anhalten. Die Symptome verstärken sich bei körperlicher Aktivität. Abzugrenzen sind diese Kopfschmerzarten von Kopfschmerzen, als Symptom anderer Erkrankungen (z B. Entzündungen, Hirntumoren) und einer notfallmäßigen Handlung bedürfen (siehe Red Flags).
Behandlung/Behandelbarkeit:
Unterschieden wird zwischen einer akuten Kopfschmerzattacke und der Prophylaxe bei chronischen Formen. Die akuten Formen werden mit gängigen Schmerzmitteln (z. B. Ibuprofen) behandelt. Bei der chronischen Form sollte eine medikamentöse oder nicht medikamentöse Prophylaxe erfolgen. Ein längerfristiger Gebrauch von Schmerzmitteln sollte vermieden werden, da durch diese Kopfschmerzen induziert werden können. Bei allen Formen des chronischen Kopfschmerzes sind nicht-medikamentöse Maßnahmen wie Entspannungstechniken und regelmäßiger Ausdauersport wesentliche Bestandteile der Therapie. Während einer Migräneattacke sollte es den Betroffenen möglich sein sich in einen dunklen, ruhigen Raum zurückzuziehen und körperliche Aktivität zu vermeiden, um die Symptome nicht zu verstärken.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
In der Akutphase ist es den Betroffenen häufig nicht möglich ihre alltäglichen Aufgaben zu bewältigen, in soziale Interaktion zu treten oder an körperlichen Aktivitäten teilzunehmen. Sozialer Rückzug und schulische Leistungsverschlechterung können die Folge sein.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Bei Nichtbefolgen der prophylaktischen Therapie kann die Anzahl der Kopfschmerzattacken so stark steigen, dass eine Teilnahme am Alltag stark beeinträchtigt wird. Eine erzwungene Teilnahme am Alltagsleben während einer Attacke geht für die Betroffenen mit stärksten Schmerzen einher. Das Vorliegen von chronischen Kopfschmerzen kann Ausdruck von psychosozialer und psychischer Belastungsfaktoren sein.
Red Flags (Warnzeichen)
- Vernichtungskopfschmerz/stärkster Kopfschmerz
- Fieber
- Schläfrigkeit/Bewusstseinsstörungen
Handlungsempfehlungen
- Vorstellung in einer Notaufnahme
- Weitere, detailliertere Informationen: https://www.schmerzmedizin.berlin/chronischer-spannungskopfschmerz-und-chronische-migraene.html
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Münchhausen by proxy Syndrom
Das Münchhausen-by-proxy-Syndrom, auch als Münchhausen Stellvertreter-Syndrom bekannt, ist dadurch gekennzeichnet, dass der betroffene Elternteil eine Erkrankung des Kin-des hervorruft, verstärkt oder vortäuscht und wiederholt Ärzt:innen aufsucht, denen er die wahren Ursachen des Krankheitsbildes nicht offenbart, um diese zur Durchführung — oftmals invasiver — Untersuchungen oder Behandlungen zu veranlassen und hierdurch Aufmerksamkeit zu erlangen [47]. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle sind Mütter (oder Pflegemütter) die Verursacherinnen. Das Hervorrufen von Erkrankungen beim Kind führt zu entsprechenden physischen Schädigungen des Kindes, gegebenenfalls bis hin zum Tod. Das elterliche Verhalten kann zudem erhebliche psychische Folgen und Verunsicherung nach sich ziehen, weil das Kind die Erfahrung macht, den Eltern im intimsten Lebensbereich schutzlos ausgeliefert zu sein [48]. Es wird insgesamt von einer großen Dunkelziffer ausgegangen, da der Nachweis meist schwer zu erbringen ist und Behandlungsteams oft vor große Schwierigkeiten stellt.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Das Münchhausen-by-proxy-Syndrom ist zunächst eine behandlungsbedürftige artifizielle Störung des Elternteils. Die unnötige, hervorgerufene Behandlung des Kindes ist eine Schädigung, die durch Ärzt:innen und Pflegepersonal mitverursacht wird. Ist die Diagnose gestellt, bleibt es eine große Herausforderung, Einsicht und Therapiemotivation bei den Betroffenen zu erreichen. Ergänzende sozialpädagogische Maßnahmen sind häufig Voraussetzung für den erfolgreichen Fallverlauf.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Auch bei geringfügigen, meist unerkannten Formen des Münchhausen-by-proxy-Syndroms, bei denen das Kind kaum in seiner körperlichen Gesundheit gefährdet wird, bleibt die Verunsicherung beim Kind ein wichtiger Faktor, der bei der Bewertung einer möglichen Kindeswohlgefährdung zu berücksichtigen ist. Kinder können in dem Krankheitskonstrukt der Erziehungsberechtigten komplett aufgehen und das Gefühl für die eigene Gesundheit und Unversehrtheit verlieren.
Red Flags (Warnzeichen)
- Verdacht der Eltern auf eine sehr seltene Erkrankung, obwohl eine ausführliche Diagnostik erfolgt ist
- Wiederholte Vorstellungen in verschiedenen Gesundheitseinrichtungen mit unklaren, wechselnden oder als besonders gravierend beschriebenen Symptomen, die sich vor Ort nicht nachvollziehen lassen oder Zweifel aufwerfen (Diskrepanz zwischen der Anamnese und den Untersuchungsergebnissen).
- Zeitliche Verknüpfung zwischen dem Auftreten der Symptomatik und der Anwesenheit einer bestimmten Betreuungsperson
Handlungsempfehlungen
- Vorstellung in einer Klinik mit einer gut aufgestellten Kinderschutzgruppe
- Weitere, detailliertere Informationen: http://www.kindesmisshandlung.de/mediapool/32/328527/data/Noeker-MSBP-MoKi-2002.pdf
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Nierenerkrankungen
Im Kindesalter können Fehlbildungen oder Infektionen von Niere und Harntrakt behandlungsbedürftig sein. Außerdem können verschiedene nephrotische Syndrome und allergisch-immunologische Nierenentzündungen (Glomerulonephritis mit Blut und/oder Eiweiß im Urin) sowie weitere seltenere Erkrankungen unterschieden werden. Die Symptome sind vielfältig: Neben dem Verlust von Körpersalzen, überschießender Blutansäuerung, vermehrter Urinproduktion u. a. spielt erhöhter Blutdruck eine wichtige Rolle, der im Kindesalter in über 95 % aller Fälle Ausdruck einer Nierenerkrankung ist. Chronische Nierenerkrankungen gehen mit Störungen von Wachstum, Blutbildung und Entwicklung einher.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Bei schweren Formen können betroffene Kinder nur mittels Nierenersatztherapie (Dialyse) überleben. Es wird dann immer eine Nierentransplantation angestrebt. Um die Zeit bis zur Transplantation zu überbrücken, wird in den meisten Fällen auf die Bauchfelldialyse (zu Hause möglich) oder die Behandlung mit Hämodialyse (Blutwäsche in der Klinik) zurückgegriffen. Zusätzlich nehmen die Kinder häufig viele verschiedene Medikamente wie Blutdrucksenker, Salztabletten, Entwässerungstabletten u. a. ein. Ein Teil der Patient:innen muss Trinkmengen- und Salzbeschränkungen beachten.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Insbesondere dialysepflichtige Kinder und solche nach Organtransplantation erleiden potentiell lebensverkürzende Folgen, wenn die Therapie (inkl. möglicher Trinkmengen- und Salzrestriktionen) nicht eingehalten werden. Sowohl akute Ereignisse (schwere Verschiebungen der Blutsalze oder Überwässerung) als auch langfristige Schäden (insbesondere an Blutgefäßen durch Bluthochdruck) sind die Folge. Sollte eine Transplantation abgelehnt werden, ist durch die dauerhaft notwendige Dialyse von schweren körperlichen uns sozialen Einschränkungen unmittelbar und in naher Zukunft auszugehen.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Die Belastungen der betroffenen Familien sind signifikant. Regelmäßige Medikamentengaben, aufwändige Diäten, Salz- und Trinkbeschränkungen, mehrere Stunden an der täglichen Dialyse, ggf. Fahrzeiten zum nächsten Kinderdialysezentrum uvm. können die Ressourcen der Familien übersteigen. Je schwerer die Nierenerkrankung ist, desto schwerwiegender sind meist auch die Folgen mangelhafter Adhärenz. Generell ist insbesondere ein anhaltender Bluthochdruck sowie häufig auftretende krisenhafte Verschlechterungen mit einer Lebenszeitverkürzung sowie mit genannten akuten und chronischen Problemen vergesellschaftet.
Red Flags (Warnzeichen)
- Entwicklungsverzögerung
- mangelnde Selbstständigkeit
- mangelndes Selbstbewusstsein
Handlungsempfehlungen
- Kontaktaufnahme zum/zur Behandler:in
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Organ- / Knochenmarktransplantation
Bei irreversiblem Funktionsausfall eines Organs ist eine Organtransplantation (OT) eine Möglichkeit diesen Funktionsverlust zu ersetzen. Im Rahmen einer OT können entweder ganze Organe oder Anteile von Organen von Verwandten oder von verstorbenen Spender:innen transplantiert werden. Jeder Mensch hat für ihn typische Oberflächenmerkmale auf seinen Zellen. Da der Körper nicht-körpereigene Strukturen als „fremd“ erkennt und diese dann mit Hilfe des Immunsystems angreift, ist eine möglichst hohe Kompatibilität zwischen Spender:in und Emfänger:in wichtig. Um das Risiko einer Abstoßung weiter zu reduzieren, müssen die Kinder und Jugendlichen mit Immunsuppressiva behandelt werden, das heißt ihr Immunsystem wird medikamentös abgeschwächt, um eine Toleranz gegenüber diesen Zellmerkmalen zu bewirken. Dies führt allerdings auch dazu, dass die Kinder ein dauerhaft geschwächtes Immunsystem haben. Hinzu kommt die Gefahr einer Übertragung von Erkrankungen vom Spenderorgan aufs Kind. In diesem Fall wird die Erregerlast regelmäßig gemessen um bei Bedarf Medikamente geben zu können.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Die Kinder und Jugendlichen sind auf eine tägliche Einnahme der immunsuppressiven Medikation angewiesen. Es sind regelmäßige ärztliche Therapiekontrollen notwendig. Eine Abstoßung ist dem Kind erst bei starker Einschränkung der Organfunktion anzumerken und kann somit lange unbemerkt bleiben. Bei einem Infekt sollten die Kinder durch die Behandler:innen beurteilt werden. Insbesondere in der Anfangsphase sind die Kinder vulnerabel für gravierende Infektionen.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Eine unzuverlässige Einnahme oder inadäquate Dosierung können zu einer Abstoßung führen, die zu einem irreversiblen Verlust des Organs führen kann. Eine erneute Listung zur OT kann Jahre dauern, bis es ein kompatibles Spenderorgan gibt. Dazu kommen die Risiken der Operation und der Nachsorge. Die Kinder und Jugendlichen können durch Ausfall des Organs versterben.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Die Medikamenteneinnahmen und Therapiekontrollen sind zeitaufwendig. Die Nähe zu einem Transplantationszentrum ist räumlich bindend. Dies kann zu einer Überforderung der Eltern beitragen, was das Risiko für eine Kindeswohlgefährdung erhöht.
Red Flags (Warnzeichen)
- Krank wirkendes Kind
- Fehlen eines Medikamentenplanes
- Verpassen der regelmäßigen Termine
Handlungsempfehlungen
- Kontaktaufnahme zum/zur Behandler:in
- bei akut krankem Kind Vorstellung Kindernotaufnahme
Schwer- & Gehörlosigkeit / Hörminderung
Als Hörminderung bezeichnet man eine angeborene oder erworbene Verschlechterung des Hörvermögens. Letztere kann in jedem Lebensalter auftreten. Eine Hörminderung kann akut oder schleichend beginnen und in ihrem Ausmaß (chronisch) rezidivieren, konstant bleiben oder progredient verlaufen. Eine Hörminderung kann ein- oder beidseitig auftreten.
Risikofaktoren für eine angeborene Hörstörung sind u. a.
- Frühgeburtlichkeit
- Infektionen während der Schwangerschaft, bzw. Neugeborenenperiode
- Familiäre Hörstörungen
Angeborene Hörstörungen können isoliert, aber auch in Verbindung mit anderen Symptomen, Veränderungen oder Befunden (sog. Syndrome) auftreten. Zu einer erworbenen Hörminderung können u. a. lange bestehende Paukenergüsse, chronische Mittelohrentzündungen oder Erkrankungen des Gehirns (z. B. Entzündungen) führen. Das wichtigste Anzeichen für eine mögliche Hörminderung im Säuglings‑, Kleinkind- und Kindesalter ist eine ausbleibende, verzögerte oder gestörte Sprachentwicklung. Weitere Hinweise können sein, dass ein Säugling ab der vierten Lebenswoche auf laute akustische Reize nicht reagiert oder ab dem sechsten Monat die Augen nicht in Richtung eines Geräusches wendet. Ein Kleinkind, das akustische Reize außerhalb seines Gesichtsfeldes nicht bemerkt und/oder es sich unpassend auf Ansprache verhält, sollte durch einen auf kindliche Schwerhörigkeiten spezialisierten Arzt abgeklärt werden. Bereits eine geringgradige oder einseitige Hörminderung kann in Verhaltensauffälligkeiten (Kontaktschwäche, Aggressivität) und Aufmerksamkeitsstörungen resultieren. Bestimmte körperliche Auffälligkeiten wie Ohrfehlbildungen, Gaumenspalte, Mukopolysaccharidose (Speicherkrankheit) eine erhöhte Anfälligkeit für Infekte im HNO-Bereich können auch auf Hörminderungen aufmerksam machen.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Ein Meilenstein auf dem Weg der Diagnose der angeborenen Hörstörungen ist das universelle Neugeborenen-Hörscreening. In den Kinderrichtlinien ist seit 2009 verankert, dass jedes neugeborene Kind einen gesetzlichen Anspruch auf diese Früherkennungsuntersuchung angeborener Schwerhörigkeiten hat. Nur bei einer frühen Erkennung und Versorgung einer Schwerhörigkeit und einem gleichzeitigen Beginn einer Hör‑, Sprach- und Frühförderung können Kinder mit regelrechten nonverbalen kognitiven Eignungen den Meilensteinen einer regelrechten Sprachentwicklung normalhörender Altersgenossen folgen. Aber sie können es dann! Hier gilt, dass je früher eine Schwerhörigkeit festgestellt wird, umso größer die Chancen sind, dass durch eine optimale Versorgung des Kindes die Entwicklung bestmöglich gefördert wird. In den meisten Fällen ist in der Folge neben einer guten Sprachentwicklung eine weitgehend normale soziale Entwicklung des Kindes zu erwarten. In der Behandlung der angeborenen Hörminderung wird heute interdisziplinär agiert. Eine früh- und rechtzeitige Hörgeräteversorgung sowie eine gleichzeitig beginnende Hör‑, Sprach- und Frühförderung sind indiziert. Setzt die Sprachentwicklung trotz frühzeitiger Hörgeräteversorgung nicht ein, wird heutzutage die Möglichkeit einer Cochlea-Implantat-Versorgung überprüft. Für den Spracherwerb ist eine Cochlea-Implantat-Versorgung innerhalb des ersten Lebensjahres empfehlenswert. Fehlbildungen des äußeren Ohres und des Mittelohres können ab dem 4. Lebensjahr operativ versorgt werden. Assoziierte Fehlbildungen sollen ebenfalls behandelt werden. Regelmäßige Untersuchungen als Kontrolle sind unabdingbar, um eine Verschlechterung der Hörminderung früh- und rechtzeitig zu erkennen. Eltern können vom Besuch von Selbsthilfegruppen profitieren, in denen sie sich mit anderen Eltern betroffener Kinder austauschen können. Die Therapie erworbener Hörstörungen richtet sich v. a. nach der jeweiligen Ursache sowie dem Ausmaß des Hörverlustes. Bei einem Paukenerguss z. B. kommen zunächst cortisonhaltige Nasentropfen bzw. ‑sprays bei bekannten Allergien mit Beteiligung der Nase, abschwellende Nasentropfen bzw. ein abschwellendes Nasenspray und ein Nasenballon zur besseren Belüftung der Paukenhöhle zum Einsatz sowie u. U. die operative Einlage eines Paukenröhrchens, damit sich die Schleimhaut im Mittelohr erholen kann und das Mittelohr dauerhaft belüftet ist.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Wenn ein Kind seit seiner Geburt an einer Hörminderung leidet und diese nicht behandelt wird, schränkt diese die Lautsprachentwicklung deutlich ein, sie kann auch völlig ausbleiben. Je später die Schwerhörigkeit des Säuglings, Kleinkindes oder Kindes diagnostiziert und therapiert wird, desto schwerwiegendere Folgen kann die Schwerhörigkeit haben. Die kurzen Zeitfenster in der sensiblen Entwicklung führen bei einer nicht ausreichenden Weiterleitung von Höreindrücken über die Lautsprache oder die visuellen Eindrücke über die Gebärdensprache an das Hör- und Sprachzentrum im Gehirn, dass diese Gehirnstrukturen lebenslang minderentwickelt bleiben. Dieses kann zu schwerwiegenden Behinderungen in der sozio-emotionalen und kognitiven Entwicklung führen. Eine nicht behandelte, sich verschlechternde Einschränkung des Gehörs kann die vollständige Gehörlosigkeit zur Folge haben.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Kinder und Jugendliche mit Hörminderung haben ein erhöhtes Risiko, Opfer einer Kindeswohlgefährdung, sowohl im familiären und darüber hinaus in ihrem alltäglichen Umfeld zu werden. Es ergibt sich für die betroffenen Kinder eine erhöhte Schwierigkeit, sich anderen Menschen anzuvertrauen und ihre Sorgen und Ängste zu kommunizieren. Auch eine Gefährdungseinschätzung gestaltet sich in diesen Familien und Umfeld erschwert.
Red Flags (Warnzeichen)
- verzögerte, gestörte oder ausbleibende Lautsprachentwicklung
- Druckgefühl oder Schmerz im Bereich der Ohren, plötzlicher Hörverlust
- Verhaltensauffälligkeiten (z. B. Kontaktverhalten, Reaktion auf Ansprache, Aufmerksamkeitsstörungen)
- sozialer Rückzug
Handlungsempfehlungen
- genaue Beobachtung durch Eltern/ Erziehungsberechtigte
- bei Verdacht auf Hörminderung Kinderarzt aufsuchen
- bei fortbestehendem V.a. Hörminderung Untersuchung durch Facharzt/ Fachärztin für Phoniatrie und Pädaudiologie
- Besuche und insbesondere Gefährdungseinschätzungen bei Bedarf zusammen mit einem Gebärdensprach-Dolmetscher
- weitere, detailliertere Informationen: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/hno/ohrenerkrankungen/hoerverlust-kinder
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Sehstörungen / Blindheit
Unter Blindheit (Amaurose) wird eine Sehleistung von < 2 % auf dem besseren Auge verstanden. Als sehbehindert werden Menschen bezeichnet, die bis zu 30 % ihrer Sehkraft besitzen. Hochgradig sehbehinderte Menschen haben nur noch 5 % Sehvermögen. Die Ursachen für eine Sehbehinderung können angeboren (z. B. Rötelninfektion während der Schwangerschaft, Frühgeburtlichkeit, genetische Defekte) oder erworben sein (z. B. Hirnblutungen, Netzhautablösung, Unfälle, Erkrankungen wie grauer und grüner Star). Die wichtigsten Hinweise auf eine mögliche Sehbehinderung oder Blindheit sind mangelndes Fixieren, Augenzittern (Nystagmus), Blendempfindlichkeit, weißer Pupillenreflex beim direkten Anleuchten. Blinde Babys sind zudem oft inaktiv, weil der optische Reiz zum Greifen oder Drehen fehlt.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Werden Erkrankungen und Risiken rechtzeitig erkannt, kann in manchen Fällen (Grauer Star/Katarakt oder Güner Star/Glaukom durch eine Operation die Erblindung verhindert werden. Die meisten Formen der Blindheit oder Sehbehinderung sind jedoch nicht heilbar. Hier ist eine frühe Förderung des evtl. vorhandenen Sehrestes und der übrigen Sinne notwendig, um den Betroffenen durch das Erlernen bestimmter Fähigkeiten ein möglichst eigenständiges Leben zu ermöglichen. Zusätzliche Hilfen können Lupen, technische Hilfsmittel sowie der Umgang mit dem Blindenstock sein.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Werden sehbehinderte Kinder im Umgang mit ihrer Einschränkung unzureichend gefördert sind sie oft so stark in ihrer Lebensweise eingeschränkt und von anderen abhängig, dass ihr Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl leidet. Dies erhöht das Risiko für soziale Isolation, Einsamkeit und Depression. Darüber hinaus besteht für sehbehinderte Menschen ein erhöhtes Risiko für Unfälle. Dieses Risiko steigt erheblich, wenn die Betroffenen die Selbstschutz- und Stocktechniken nicht erlernt haben.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Menschen mit einer Sehbehinderung sind häufiger von Kindesmisshandlung betroffen als sehende Menschen. Neben (sexueller) Gewalt spielen Vernachlässigung und mangelnde Förderung eine Rolle. Die Gefährdungseinschätzung kann in einer Familie mit sehbehindertem Kind erschwert sein. Wichtig zu bedenken ist, dass sehbehinderte Kinder ebenso gut lernen können wie sehende und sich dementsprechend entwickeln sollten. Eine Kindeswohlgefährdung kann entstehen, wenn den betroffenen Kindern nicht die Möglichkeit gegeben wird an Frühfördermaßnahmen teilzunehmen und die selbstständige Bewältigung des Alltags zu erlernen.
Red Flags (Warnzeichen)
- Entwicklungsverzögerung
- Mangelnde Selbstständigkeit
- Mangelndes Selbstbewusstsein
Handlungsempfehlungen
- Kontaktaufnahme zum/zur Behandler:in
- weitere, detailliertere Informationen: https://www.dbsv.org/
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Syphilis / Connatale Lues
Syphilis ist eine sexuell übertragbare Infektion, die durch die Bakterien Treponema pallidum verursacht wird. Kinder stecken sich meistens bei ihrer Mutter an, wenn diese sich während der Schwangerschaft mit dem Bakterium infiziert. Die Infektion des Fötus wird dann als Connatale Lues bezeichnet. Diese kann zu schweren Entwicklungsverzögerungen, Frühgeburt oder Tod des Neugeborenen führen. Beim Neugeborenen können die Symptome kurz nach der Geburt (Lues connata praecox), oder auch erst jenseits des 3. Lebensjahres auftreten (Lues connata tarda). Mögliche Symptome eines Kindes mit Syphilis sind Haut- und Skelettschäden, Seh- und Hörstörungen, Gedeihstörungen und verminderter Intellekt.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen wird auf Syphilis getestet. Infizierte Schwangere und Neugeborene werden mit dem Antibiotikum Penicillin behandelt. Somit kann die Infektion i. d. R. geheilt und eine Infektion des Fötus verhindert werden. Bei einer Infektion im späten Schwangerschaftsstadium kann eine Infektion des Fötus nicht mehr verhindert werden. Eine Frühzeitige Therapie des Neugeborenen kann das Auftreten von Komplikationen aber verhindern. In jedem Fall einer infizierten Schwangeren sind regelmäßige Blutuntersuchungen des Neugeborenen (alle 2–3 Monate) notwendig, um die Krankheitsaktivität überwachen und ggf. frühzeitig reagieren zu können.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Die Therapie dauert in der Regel nicht länger als 14 Tage. Wenn diese allerdings für mehr als einen Tag unterbrochen wird muss sie neu begonnen werden. Eine unzureichende Therapie kann u. a. zu den oben genannten Symptomen führen. Bei einer unbehandelten Infektion nach der Schwangerschaft durchlaufen Betroffene typischerweise 4 Krankheitsstadien, mit einem Befall des Zentralnervensystems und damit einhergehenden Lähmungserscheinungen im Stadium 4.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Die Mehrheit der Infektionen während der Schwangerschaft treten vor dem 3. Lebensjahr in Erscheinung. Eine Infektion mit Treponema pallidum nach dem 3. Lebensjahr legt immer den Verdacht auf sexuelle Handlungen, bei Kindern unter dem 10. Lebensjahr insbesondere auf sexuelle Gewalt nahe.
Red Flags (Warnzeichen)
- Infektion jenseits des 3. Lebensjahres
- Unklare Infektionsquelle
- Unklarheit über ärztliche Kontrolltermine
Handlungsempfehlungen
- Kontaktaufnahme zum/zur Behandler:in; bei älteren Kindern Klärung der Infektionsquelle
- weitere, detailliertere Informationen: https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/p%C3%A4diatrie/infektionen-des-neugeborenen/angeborene-syphilis
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Tuberkulose (Schwindsucht)
Die Tuberkulose ist eine bakterielle Infektionserkrankung, die meistens die Lunge, gerade bei Säuglingen und Kindern aber häufig auch andere Organe, wie Knochen, Harntrakt und Gehirn betrifft. Infektionsquellen sind Erkrankte mit einer sogenannten offenen Tuberkulose. Die Übertragung erfolgt über die Luft, wobei das Infektionsrisiko geringer ist als bei vielen anderen Erkrankungen (wie Windpocken oder Masern) und von mehreren Faktoren (Dauer und Nähe des Kontaktes, Bakterienzahl des Erkrankten, Immunstatus der Kontaktperson) abhängig ist. Kinder unter 10 Jahren können in der Regel keine anderen Menschen anstecken. Klassische Symptome sind anhaltender (u. U. blutiger) Husten, Fieber, nächtliches Schwitzen und Gewichtsabnahme. Erkrankte Kinder zeigen aber in über der Hälfte der Fälle keine Symptome und fallen nur durch eine verzögerte Entwicklung auf. Nur ein Teil der Infizierten Personen erkrankt an Tuberkulose, wobei das Risiko für Kleinkinder und immungeschwächte Personen (z. B. HIV-Infizierte) mit 20–40 % deutlich erhöht ist.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Tuberkulose kann meist gut behandelt werden. Die übliche Behandlung dauert 6 Monate. Betroffene erhalten Antibiotika, die die Bakterien abtöten. In den ersten 2 Monaten vier Wirkstoffe, in den folgenden Monaten zwei. Die entscheidende Voraussetzung für eine wirksame Therapie ist die regelmäßige Einnahme der Medikamente. Diese muss bei Kindern immer unter Aufsicht erfolgen. Nach 2–3 Wochen Therapie sind Betroffene in der Regel nicht mehr ansteckend. Bei Erkrankung eines Kindes ist es sinnvoll im Umfeld nach der Infektionsquelle zu suchen. Kinder, die Kontakt zu einer ansteckenden Person hatten sollten prophylaktisch ein Antibiotikum über mehrere Monate einnehmen, um eine Erkrankung zu verhindern. Erwachsene Kontaktpersonen sollten auf tuberkuloseverdächtige Symptome, insbesondere Husten unklarer Herkunft achten. Eine Impfung wird in Deutschland seit 1998 nicht mehr empfohlen.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Wenn die Medikamente nicht planmäßig eingenommen werden können Betroffene ansteckend bleiben und erhöht sich das Risiko für die Ausbildung von Resistenzen, also dem Unwirksam werden der Medikamente. Kinder haben bei unzureichender Therapie ein hohes Risiko, dass die Tuberkulose auf andere Organe übergreift. Ohne Behandlung sterben etwa 7 von 10 Erkrankten.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Die Einnahme der Medikamente ist für betroffene Kinder lebenserhaltend. Wenn von den Erziehungsberechtigten die planmäßige Einnahme nicht sichergestellt wird, stellt dies eine Gefahr für das Kindeswohl dar.
Red Flags (Warnzeichen)
- Fehlen fester Regeln bei der Tabletteneinnahme
Handlungsempfehlungen
- Kontaktaufnahme zum/zur Behandler:in
- weitere, detailliertere Informationen: https://www.lungenaerzte-im-netz.de/krankheiten/tuberkulose/was-ist-tuberkulose/
- Vorgehen entsprechend Flowchart B
Zystische Fibrose (Mukoviszidose, CF)
Die zystische Fibrose (CF) ist eine vererbte Stoffwechselerkrankung. Eine Mutation führt zur Funktionsstörung eines Ionen-Kanals der Zellmembran und zu einer Eindickung von Sekreten diverser Drüsenzellen. Meist manifestiert sich die CF entweder unmittelbar nach der Geburt durch Darmverschluss oder im frühen Lebensalter in Form von häufigen Atemwegsinfekten und/oder von Fettstühlen und Gedeihstörungen.
Langfristig führen die häufigen Atemwegsinfekte zu einem Lungenversagen. Die Schädigung weiterer Drüsen kann zu Diabetes, Leberversagen und zu Unfruchtbarkeit führen.
Behandlung/Behandelbarkeit:
Die CF gehört zu den im Neugeborenen-Screening erfassten Erkrankungen. Für bestimmte Mutationen gibt es kausale, gentherapeutische Ansätze. Daneben erfolgt eine symptomatische Therapie entsprechend der Klinik mit dem Ziel die Lebensqualität und Lebenserwartung zu verbessern. Die Therapie ist bestimmt durch regelmäßiges Inhalieren, viel Physiotherapie, häufige Arzttermine und Krankenhausaufenthalte. Der zeitliche Aufwand ist für die betroffenen Familien beträchtlich. Bei fortgeschrittenem Krankheitsverlauf werden häufig Leber- und/oder Lungentransplantationen notwendig. Die Lebenserwartung eines Neugeborenen mit zystischer Fibrose liegt aktuell bei 53 Jahren.
Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:
Werden den Betroffenen keine Verdauungsenzyme zugeführt, geraten die betroffenen Kinder in eine Unterernährung mit daraus folgenden Wachstums- und Gedeihstörungen. Ohne adäquate Therapie der Atemwegssymptome führen die häufigen Infektionen zu einem fortschreitenden Funktionsverlust der Lunge. Ohne ausreichende Kontrollen des Elektrolythaushaltes erleiden viele Betroffene ein Salzverlustsyndrom mit Muskelzittern/-krämpfen, Kopfschmerzen, Schwindel und Verwirrtheit. Generell muss gesagt werden, dass das Fortschreiten von vielen der Symptome heutzutage verlangsamt, aber nicht aufgehalten werden kann. Somit ist auch bei optimaler Therapie damit zu rechnen, dass die Betroffenen im Fortschreitenden Erwachsenenalter an Diabetes, Osteoporose, Unfruchtbarkeit und Leberfunktionsstörungen leiden können.
Risiko einer Kindeswohlgefährdung:
Die Umfassenden Therapien bestimmen maßgeblich den Alltag der betroffenen Familien. Das Risiko für eine Überforderungssituation der Eltern ist erhöht. Durch den hohen zeitlichen Aufwand sind Geschwisterkinder von Vernachlässigung bedroht.
Red Flags (Warnzeichen)
- Gedeihstörungen
Handlungsempfehlungen
- Kontaktaufnahme zum/zur Behandler:in
- weitere, detailliertere Informationen: https://www.muko.info/informieren/ueber-die-erkrankung
- Vorgehen entsprechend Flowchart B