Erkrankungen

In den fol­gen­den Kapi­teln wer­den eini­ge wich­ti­ge chro­ni­sche Erkran­kun­gen des Kin­des­al­ters zusam­men­fas­send dar­ge­stellt. Dabei folgt die Glie­de­rung den Punkten 

  • Über­blick über die Erkrankung 
  • Behandlung/Behandelbarkeit
  • Kon­se­quen­zen bei man­geln­der Therapieadhärenz 
  • Risi­ko für eine Kindeswohlgefährdung 
  • Red Flags (Warn­zei­chen)
  • Hand­lungs­emp­feh­lun­gen  

Die ein­zel­nen Kapi­tel sol­len dazu die­nen sich einen schnel­len Über­blick über die Erkran­kung zu ver­schaf­fen, wenn man in Kon­takt mit einem betrof­fe­nen Kind trifft. Dar­über hin­aus soll die­ses Kapi­tel als Hil­fe­stel­lung die­nen wel­che Schrit­te bei Bekannt­wer­den einer Erkran­kung ein­ge­lei­tet wer­den sol­len. Dabei ist zu beto­nen, dass es grund­sätz­lich fach­li­cher Stan­dard ist mit den behan­deln­den Ärzt:innen in Kon­takt zu tre­ten und die wei­te­ren Schrit­te abzustimmen. 

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Adipositas (Übergewicht)

Bei einem BMI zwi­schen der 90. und 97. Per­zen­ti­le han­delt es sich um Über­ge­wicht, ober­halb der 97. Per­zen­ti­le um Adi­po­si­tas und ober­halb der 99,5. Per­zen­ti­le um extre­me Adi­po­si­tas. In den aller­meis­ten Fäl­len ist das Über­ge­wicht ali­men­tär (durch zu viel oder fal­sche Nah­rungs­auf­nah­me) bedingt. 15 % der Kin­der und Jugend­li­chen sind über­ge­wich­tig und 6,3 % adi­pös. Mit zuneh­men­dem Alter steigt die Inzi­denz an. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Eine Ver­rin­ge­rung des BMI ist im Kin­des­al­ter bereits durch Hal­ten des Gewichts bei wei­te­rem Län­gen­wachs­tum mög­lich. Nach Abschluss des Län­gen­wachs­tums ist eine geziel­te Gewichts­ab­nah­me not­wen­dig. Es wird eine lang­sa­me und lang­fris­ti­ge BMI-Reduk­ti­on mit alters­ad­äqua­ter Misch­kost und Begren­zung von süßen Spei­sen und Geträn­ken sowie regel­mä­ßi­ger sport­li­cher Betä­ti­gung und gestei­ger­ter All­tags­ak­ti­vi­tät ange­strebt. Die Dia­gnos­tik, Bera­tung und The­ra­pie soll­te in einem mul­ti­dis­zi­pli­nä­ren Team erfol­gen. Die Teil­nah­me an alters­ent­spre­chen­den Adi­po­si­t­as­pro­gram­men ist für Kin­der und ihre Eltern sinnvoll. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz: 

Durch Adi­po­si­tas ver­ur­sach­te Kom­or­bi­di­tä­ten (Begleit­erkran­kun­gen) sind viel­fäl­tig und betref­fen neben dem Bewe­gungs­ap­pa­rat auch den Stoff­wech­sel und das Herz-Kreislauf-System. 

  • Insu­lin­re­sis­tenz: Eine Insu­lin­re­sis­tenz kann zu gestör­ter Glu­ko­se­to­le­ranz und im Ver­lauf zu einem Dia­be­tes mel­li­tus Typ 2 füh­ren (sie­he auch Dia­be­tes mel­li­tus Typ 1).
  • Blut­hoch­druck: Bei ca. 1/3 der über­ge­wich­ti­gen Kin­der und Jugend­li­chen besteht ein arte­ri­el­ler Hyper­to­nus (Blut­hoch­druck). Dadurch steigt das Risi­ko für Herz­er­kran­kun­gen, Schlag­an­fall und Gefäßveränderungen. 
  • Fett­stoff­wech­sel­stö­rung: Die mit dem Über­ge­wicht ein­her­ge­hen­de Fett­stoff­wech­sel­stö­rung stellt unter ande­rem einen wei­te­ren Risi­ko­fak­tor für die Ent­wick­lung von Herz-Kreis­lauf-Erkran­kun­gen dar. 
  • Gas­tro­en­te­ro­lo­gi­sche Kom­or­bi­di­tä­ten: Eine Leber­ver­fet­tung (Steato­sis hepa­tis) ist eine sehr häu­fi­ge Kom­or­bi­di­tät bei adi­pö­sen Kin­dern und Jugend­li­chen. Kommt es zu einer Leber­wert­erhö­hung han­delt es sich bereits um eine Steato­he­pa­ti­tis hepa­tis mit ent­zünd­li­cher Ver­än­de­rung der Leber. Die­se kann bis zu einem bin­de­ge­web­i­gen Umbau der Leber (hepa­ti­sche Fibro­se) und Funk­ti­ons­ein­schrän­kun­gen führen. 
  • Hyper­urik­ämie: Eine Erhö­hung der Harn­säu­re ent­steht typi­scher­wei­se durch den Ver­zehr von grö­ße­ren Men­gen tie­ri­scher Pro­duk­te. Im Erwach­se­nen­al­ter sind Gicht­an­fäl­le durch Aus­fäl­lung der Harn­säu­re in Gelen­ken bekannt. 
  • Ortho­pä­di­sche Kom­or­bi­di­tä­ten: Durch das Miss­ver­hält­nis zwi­schen Kraft der Kno­chen und der Mus­ku­la­tur einer­seits und des viel zu hohen Gewich­tes ande­rer­seits, ent­wi­ckeln sich häu­fig Ver­än­de­run­gen des Bewe­gungs­ap­pa­ra­tes. Es kön­nen sich soge­nann­te X‑Beine (Genua val­ga), Hohl­kreuz (lum­ba­ler Hyper­lor­do­se) und Knick-Senk-Füßen (Pes pla­n­o­val­gus) ent­wi­ckeln. Neben der drin­gend erfor­der­li­chen Gewichts­ab­nah­me ist eine regel­mä­ßi­ge ortho­pä­di­sche Behand­lung mit Ein­la­gen­ver­sor­gung und ggf. chir­ur­gi­schen Maß­nah­men erfor­der­lich. Das Risi­ko steigt beson­ders für die jugend­li­chen Jungs eine Hüft­kopf­lö­sung (Epi­phy­sio­ly­sis capi­tis femo­ris) zu bekommen. 
  • Pul­mo­no­lo­gi­sche Kom­or­bi­di­tä­ten: Durch die Adi­po­si­tas bedingt kann es zu obstruk­ti­ven Schnar­chen (upper air­ways resis­tance syn­dro­me, UARS) und einem obstruk­ti­ven Schlaf­apnoe­syn­drom (OSAS) kom­men. Unbe­han­delt lei­den die Kin­der und Jugend­li­chen dann unter Tages­mü­dig­keit und Kon­zen­tra­ti­ons­stö­run­gen. Adi­pö­se Kin­der lei­den zudem häu­fi­ger an obstruk­ti­ven Bron­chit­i­den im Säug­lings- und Klein­kind­al­terEin bestehen­des Asth­ma bron­chia­le kann sich durch Adi­po­si­tas verschlechtern. 
  • Geschlechts­spe­zi­fi­sche Kom­or­bi­di­tä­ten: Sowohl Jungs als auch Mäd­chen ent­wi­ckeln sehr häu­fig blei­ben­de Deh­nungs­strei­fen (Striae dis­ten­sae). Mäd­chen zei­gen häu­fi­ger eine prä­pu­ber­tä­re Wachs­tums­be­schleu­ni­gung und kom­men häu­fi­ger frü­her in die Puber­tät. Mit der Adi­po­si­tas steigt das Risi­ko ein poly­zys­ti­sches Ovar­syn­drom (PCOS) zu ent­wi­ckeln, was sich unter ande­rem in einem unre­gel­mä­ßi­gen Zyklus äußert und einen signi­fi­kan­ten Ein­fluss auf die Fer­ti­li­tät (Frucht­bar­keit) im Erwach­se­nen­al­ter haben kann. Jungs lei­den kos­me­tisch oft sehr unter einer Fett­ge­webs­ver­meh­rung im Bereich der Brust (Lipo­mastie). Teil­wei­se tritt auch eine Ver­grö­ße­rung des Drü­sen­ge­we­bes der Brust (Gynä­ko­mastie) auf. Durch die Fett­schür­ze des Bauch­fet­tes wirkt die Penis­län­ge häu­fi­ger deut­lich ver­kürzt (Hid­den penis). 
  • Ein­schrän­kung der Lebens­qua­li­tät: Kin­der und Jugend­li­che mit Adi­po­si­tas haben ein erhöh­tes Risi­ko sozia­le und emo­tio­na­le Auf­fäl­lig­kei­ten zu ent­wi­ckeln und psy­chisch zu erkran­ken. Kin­der und Jugend­li­che erfah­ren in sehr vie­len Fäl­len Dis­kri­mi­nie­run­gen und erle­ben eine signi­fi­kant nied­ri­ge­re Lebens­qua­li­tät als nor­mal­ge­wich­ti­ge Gleichaltrige. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Da die meis­ten For­men der Adi­po­si­tas durch fal­sche Ernäh­rung zustan­de kom­men, sind hier die Sor­ge­be­rech­tig­ten in der Pflicht, zu einer Bes­se­rung bei­zu­tra­gen. Unter­bleibt die­ser Ver­such, kann dar­aus eine Kin­des­wohl­ge­fähr­dung resul­tie­ren. Dar­über hin­aus kann eine Adi­po­si­tas ein Hin­weis auf eine Trau­ma­ti­sie­rung oder ande­re Belas­tungs­si­tua­tio­nen des Kin­des oder Jugend­li­chen sein, die als Fol­ge zu Über­ge­wicht führen. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • Kör­per­ge­wicht über der 97. Perzentile 
  • dunk­le Haut­ver­än­de­run­gen v. a. unter den Ach­seln (sog. Acan­to­sis nig­ri­cans) als Zei­chen einer Stoffwechselstörung 
  • ver­mehr­tes Was­ser­las­sen und Trinken 

Handlungsempfehlungen

  • Kon­takt­auf­nah­me zum/zur Behandler:in
  • Vor­ge­hen ent­spre­chend Flow­chart B


Anämien (Blutarmut)

Kind­li­che Anämie ist ein Man­gel an rotem Blut­farb­stoff (Hämo­glo­bin). Sie kann im Rah­men ver­schie­dens­ter Erkran­kun­gen auf­tre­ten. So kann die ver­min­der­te oder gestör­te Blut­bil­dung, eine ver­mehr­te Zer­stö­rung von Ery­thro­zy­ten oder ein anhal­ten­der Blut­ver­lust zu einer Anämie füh­ren. Die häu­figs­te Ursa­che ist die Eisen­man­gel­an­ämie. Wei­te­re Ursa­chen sind, v. a. in Fami­li­en mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund, Thalass­ä­mie und Sichel­zell­an­ämie. Die ver­min­der­te Auf­nah­me von Eisen und ande­ren Nähr­stof­fen wie Vit­amin B12 bei Darm­er­kran­kun­gen wie Zöli­a­kie kann eben­so zur Blut­ar­mut füh­ren wie chro­ni­sche Ver­lus­te (z. B. im Rah­men einer ver­stärk­ten Mens­trua­ti­on). Anhal­ten­de Ent­zün­dungs­pro­zes­se sind neben Tumor­er­kran­kun­gen und Leuk­ämien eine wei­te­re Ursa­che für Anämien. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Die Behand­lung unter­schei­det sich nach der Ursa­che der Blut­ar­mut. Ist die Ursa­che behan­del­bar (star­ke Mens­trua­ti­ons­blu­tung, Ent­zün­dun­gen, Krebs­er­kran­kun­gen) steht die­se im Vor­der­grund. Bei allen Anämie­for­men wird eine Opti­mie­rung des Eisen- und Vit­amin B12-Haus­halts ange­strebt. Schwe­re For­men bedür­fen teils wie­der­hol­ter Blut­trans­fu­sio­nen, was eine bedroh­li­che chro­ni­sche Eisen­über­la­dung zur Fol­ge haben kann. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz: 

Kurz­fris­tig: Durch den Man­gel an Hämo­glo­bin ist der Trans­port von Sau­er­stoff ins Ziel­ge­we­be gestört. Fol­gen sind Kraft­lo­sig­keit, Schwin­del, Kopf­schmer­zen, Herz­ra­sen bis hin zum Kreis­lauf­ver­sa­gen und Bewusstseinsverlust.

Lang­fris­tig: Ent­wick­lungs­ver­zö­ge­rung und Wachs­tums­still­stand bei anhal­ten­der Anämie. Außer­dem bei wie­der­keh­ren­den Blut­trans­fu­sio­nen und man­gel­haf­ter beglei­ten­der (Cha­la­tor-) The­ra­pie: Eisen­ein­la­ge­rung in Orga­ne (Leber, Herz, Schild­drü­se, Bauch­spei­chel­drü­se, Hoden/Eierstöcke, Gehirn) mit kon­se­ku­ti­vem Organ­ver­sa­gen. Fol­gen: Schild­drü­sen­un­ter­funk­ti­on, Dia­be­tes mel­li­tus, Herz­schwä­che, Leber­zir­rho­se usw.

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Das Risi­ko hängt maß­geb­lich von der zugrun­de­lie­gen­den Stö­rung ab. Hält eine aus­ge­präg­te Anämie auf Grund man­geln­der medi­zi­ni­scher Für­sor­ge län­ger an, kann die kogni­ti­ve und kör­per­li­che Ent­wick­lung nach­hal­tig gestört sein. Wer­den Medi­ka­men­te zur Bes­se­rung der Anämie (z. B. Vit­amin B12 oder Eisen) bzw. The­ra­pien zur Ver­hin­de­rung einer Eisen­über­la­dung (s. o) nicht ver­ab­reicht oder Kon­troll­ter­mi­ne wie­der­holt nicht wahr­ge­nom­men, kann eine Kin­des­wohl­ge­fähr­dung resultieren. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • Organ­ver­sa­gen durch Eisen­über­la­dung bei feh­len­der Therapieadhärenz 
  • Wachs­tums- und Ent­wick­lungs­stö­run­gen trotz adäqua­ter the­ra­peu­ti­scher Anbindung 

Handlungsempfehlungen


Anorexia nervosa (Magersucht)

Die Mager­sucht (Anorexia ner­vo­sa) gehört zusam­men mit der Ess-Brech-Sucht (Buli­mia ner­vo­sa) und der Bin­ge-Eating-Stö­rung zu den Ess­stö­run­gen. Bei allen Stö­run­gen liegt ein pro­ble­ma­ti­scher Umgang mit dem Ver­zehr von Nah­rungs­mit­teln und dem eige­nen Selbst­bild vor. Wäh­rend bei der Anore­xie das Unter­ge­wicht domi­niert, ste­hen bei der Buli­mie Heiß­hun­ger­at­ta­cken mit selbst­in­du­zier­tem Erbre­chen bei nor­ma­lem Kör­per­ge­wicht im Vor­der­grund. Die Bin­ge-Eating-Stö­rung ist durch Heiß­hun­ger­at­ta­cken (ohne Erbre­chen) und kon­se­ku­ti­ves Über­ge­wicht geprägt. Vie­le Patient:innen mit einer Ess­stö­rung berich­ten von trau­ma­ti­schen Erleb­nis­sen. Patho­lo­gi­sche fami­liä­re Struk­tu­ren sind häu­fig mit beson­de­rer Schwe­re der Ess­stö­run­gen und deren Chro­ni­fi­zie­rung asso­zi­iert. Auf­grund der kli­ni­schen Bedeu­tung (Sterb­lich­keit 5–20 %) spielt die Anore­xie unter den Erkran­kun­gen eine beson­de­re Rol­le. Bei der Anore­xie wird ein mas­si­ver Gewichts­ver­lust absicht­lich her­bei­ge­führt (durch redu­zier­te Nah­rungs­auf­nah­me, Abführ­mit­tel, selbst­in­du­zier­tes Erbre­chen und/oder über­trie­be­ne kör­per­li­che Akti­vi­tät). Die Stö­rung betrifft zumeist Mäd­chen in der Ado­les­zenz (13–16 Jah­re), wobei auch zuneh­mend Jun­gen betrof­fen sind. Im Vor­der­grund steht die Kör­per­sche­ma­stö­rung mit der Angst vor einem zu dicken Kör­per. Die­se Angst besteht unab­hän­gig vom Kör­per­ge­wicht als tief­ver­wur­zel­te, über­wer­ti­ge Idee. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Die pri­mä­re aku­te The­ra­pie ist stets die Erhö­hung der Nah­rungs­auf­nah­me, um der lebens­ge­fähr­li­chen Aus­zeh­rung ent­ge­gen­zu­wir­ken. Die Zie­le der Behand­lung sind die Wie­der­her­stel­lung und das Hal­ten eines für Alter und Grö­ße ange­mes­se­nen Kör­per­ge­wichts, eine Nor­ma­li­sie­rung des Ess­ver­hal­tens, die Behand­lung kör­per­li­cher Fol­gen und eine Ver­bes­se­rung der familiären/sozialen Struk­tu­ren. In Abhän­gig­keit von der Schwe­re kom­men im ambu­lan­ten, tages­kli­ni­schen oder sta­tio­nä­ren Set­ting Psy­cho­the­ra­pie­kon­zep­te zum Ein­satz. Auch lang­fris­tig soll­te mit­hil­fe von Psy­cho­the­ra­pie und ‑edu­ka­ti­on ein sta­bi­ler Zustand sicher­ge­stellt werden. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz: 

Auf­grund der Unter­ernäh­rung kann es zu zahl­rei­chen lebens­be­droh­li­chen Kom­pli­ka­tio­nen kom­men. Sekun­där führt die Unter­ernäh­rung zu hor­mo­nel­len und Stoff­wech­sel­ver­än­de­run­gen mit Stö­rung der Kör­per­funk­tio­nen, wie z. B. Herz­rhyth­mus­stö­run­gen, Aus­blei­ben der Regel­blu­tung. Zudem kön­nen psych­ia­tri­sche Kom­pli­ka­tio­nen, wie z. B. Depres­sio­nen und Sui­zid auftreten. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Patient:innen mit Anore­xie ste­hen häu­fig unter hohem Druck ihrer Eltern hin­sicht­lich der Nah­rungs­auf­nah­me. Dies führt zu Span­nun­gen inner­halb des Fami­li­en­sys­tems und kann zu einer Über­for­de­rung der Eltern füh­ren und das Risi­ko für eine emo­tio­na­le Ver­nach­läs­si­gung erhö­hen. Küm­mern sich die Eltern hin­ge­gen nicht aus­rei­chend um eine aus­rei­chen­de Nah­rungs­auf­nah­me und bleibt der Gewichts­ver­lust ohne the­ra­peu­ti­sche Kon­se­quenz, kann dies lebens­be­droh­li­che Kon­se­quen­zen für die betrof­fe­nen Kin­der haben. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • star­kes Unter­ge­wicht (BMI < 17) 
  • Schwindel/Ohnmachtsanfälle
  • über­mä­ßi­ges Sporttreiben 

Handlungsempfehlungen


Asthma bronchiale

Unter Asth­ma ver­steht man eine Über­emp­find­lich­keit der luft­lei­ten­den Atem­we­ge (Bron­chi­al­sys­tem). Dabei kommt es zu immer wie­der­keh­ren­den Epi­so­den, bei denen sich die Atem­we­ge ver­en­gen und das Atmen schwer­fällt. Dar­über hin­aus schwillt die Bron­chi­al­schleim-haut an und pro­du­ziert ver­mehrt schlecht abzu­hus­ten­den Schleim. Die aus­lö­sen­den Fak­to­ren kön­nen viel­fäl­tig sein. Mög­li­che Trig­ger sind: all­er­gi­sche Reak­ti­on, Infek­ti­on, see­li­sche und kör­per­li­che Belas­tung, Käl­te, Tabak­rauch. Ein Asth­ma­an­fall geht für Betrof­fe­ne mit dem Gefühl des Ersti­ckens ein­her und bedeu­tet stärks­ten phy­si­schen und psy­chi­schen Stress. Ein schwer ver­lau­fen­der Asth­ma­an­fall kann die Atmung so stark beein­träch­ti­gen, dass die Betrof­fe­nen einen Sau­er­stoff­man­gel erlei­den und ver­ster­ben. Anzei­chen für einen dro­hen­den Asth­ma­an­fall sind Unru­he, Kurz­at­mig­keit, lau­tes Atem­ge­räusch, Hus­ten und Enge­ge­fühl in der Brust. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Durch eine gut gesteu­er­te The­ra­pie kann das Asth­ma i. d. R. gut unter Kon­trol­le gebracht wer­den, die Anzahl der Anfäl­le ver­rin­gert und Kon­se­quen­zen ver­hin­dert wer­den. Die Basis der The­ra­pie bil­den dabei i. d. R. Inha­la­ti­ons­sprays mit ver­schie­de­nen Wirk­stof­fen. Hin­zu­kom­men kön­nen Medi­ka­men­te in Form von Tablet­ten und Sprit­zen. Da die The­ra­pie regel­mä­ßig an den Schwe­re­grad der Erkran­kung ange­passt wer­den muss sind Kon­troll­ter­mi­ne beim behan­deln­den Arzt not­wen­dig. Ein gut kon­trol­lier­tes Asth­ma steht einer nor­ma­len Ent­wick­lung des Kin­des i. d. R. nicht im Weg. 

Ver­hal­ten bei Asthmanfall: 

  • Not­ruf (112) rufen 
  • Kind auf­recht hin­set­zen, Arme auf Ober­schen­keln abstüt­zen lassen 
  • Not­fall­me­di­ka­men­te geben (i. d. R. „Asth­ma­spray“)

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:

Eine schlecht auf die Krank­heits­schwe­re ein­ge­stell­te The­ra­pie geht für die Betrof­fe­nen mit häu­fi­gen Anfäl­len ein­her, die eine gro­ße kör­per­li­che und see­li­sche Belas­tung dar­stel­len. Die Betrof­fe­nen sind i. d. R. weni­ger leis­tungs­fä­hig, bekom­men Schlaf­pro­ble­me und ent­wi­ckeln sich lang­sa­mer. Ein nicht the­ra­pier­ter schwe­rer Asth­ma­an­fall kann zum Tod des Kin­des durch Ersti­cken führen. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Zur Auf­sicht eines Kin­des mit Asth­ma gehört dazu, die Not­fall­me­di­ka­men­te griff­be­reit zu haben. Dadurch ist die Krank­heit im All­tag sehr prä­sent. Ver­bun­den mit häu­fi­gen Arzt­ter­mi­nen kann dies zur Über­for­de­rung der Eltern bei­tra­gen, was das Risi­ko für eine Kin­des­wohl­ge­fähr­dung erhöht. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • regel­mä­ßi­ge Asthmaanfälle 
  • Feh­len eines Therapieplanes 
  • Feh­len von Notfallmedikamenten 

Handlungsempfehlungen


Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED)

Bei chro­nisch ent­zünd­li­chen Darm­er­kran­kun­gen han­delt es sich um lang­wie­ri­ge und wie­der­keh­ren­de Ent­zün­dun­gen unter­schied­li­cher Berei­che des Darms, die ein Leben lang zu wie­der­keh­ren­den Ent­zün­dungs­schü­ben füh­ren kann. Die Ursa­chen für die Über­re­ak­ti­on des Immun­sys­tems sind viel­fäl­tig. Die Betrof­fe­nen lei­den an häu­fi­gen, teil­wei­se blu­ti­gen Durch­fäl­len, Bauch­schmer­zen und Gedeih­stö­rung. Man­che die­ser Erkran­kun­gen gehen mit wei­te­ren Organ­be­tei­li­gun­gen wie der Haut oder der Leber ein­her oder sind mit ande­ren Auto­im­mun­erkran­kun­gen ver­ge­sell­schaf­tet. Für Kin­der mit einer CED ist eine enge Anbin­dung an erfah­re­ne Kinderärzt:innen und Kindergastroenterolog:innen wich­tig, um neben einer Beschwer­de­frei­heit auch mög­lichst wenig Neben­wir­kun­gen zu haben. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Bei der Sym­ptom­kon­trol­le kön­nen diä­te­ti­sche Maß­nah­men hel­fen Es kön­nen jedoch auch immun­sys­tem­hem­men­de Medi­ka­men­te, ent­we­der direkt im Darm oder sys­te­misch ange­wen­det, not­wen­dig wer­den. Die­se füh­ren zu einer erhöh­ten Infekt­an­fäl­lig­keit und kön­nen Neben­wir­kun­gen haben. Zudem soll­te die kör­per­li­che Ent­wick­lung kon­trol­liert wer­den, um mög­li­che Unter­ver­sor­gung durch ent­zünd­li­che Pro­zes­se im Darm früh­zei­tig zu ent­de­cken. Für die Zukunft der Kin­der ist die enge Betreu­ung und frü­he Fest­stel­lung von Ent­zün­dungs­schü­ben von her­aus­ra­gen­der Bedeutung. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz: 

Bei unge­nü­gend ein­ge­stell­ter Erkran­kung kann es zu einer Aus­brei­tung der Ent­zün­dung und schlech­ten Auf­nah­me der Nähr­stof­fe im Darm kom­men, was zu Ein­bu­ßen der Ent­wick­lung füh­ren kann. Die Durch­fäl­le und Bauch­schmer­zen kön­nen zu einem Schul­ab­sen­tis­mus füh­ren. Ins­be­son­de­re im Jugend­al­ter kön­nen die Sym­pto­me der Erkran­kung zudem sozi­al iso­lie­rend wirken. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Neben den kör­per­li­chen Belas­tun­gen ist die chro­ni­sche Erkran­kung und täg­li­che Medi­ka­men­ten­ein­nah­me häu­fig auch eine psy­cho­so­zia­le Herausforderung.Die Medi­ka­men­ten­ein­nah­men und The­ra­pie­kon­trol­len sind zeit­auf­wen­dig. Dies kann zu einer Über­for­de­rung der Eltern bei­tra­gen, was das Risi­ko für eine Kin­des­wohl­ge­fähr­dung erhöht. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • Gewichtsstagnation/Verlust
  • dau­er­haf­te Beschwerden 
  • Feh­len eines Medikamentenplanes 
  • Ver­pas­sen der regel­mä­ßi­gen Termine 
  • sozia­le Isolation/Schulabsentismus

Handlungsempfehlungen

  • Kon­takt­auf­nah­me zum/zur Behandler:in
  • Vor­ge­hen ent­spre­chend Flow­chart B

Chronische Schmerzstörungen

Durch cS kann es zu schwe­ren Beein­träch­ti­gung des All­tags durch chro­ni­sche Schmer­zen des Bewe­gungs­ap­pa­rats (> 3 Mona­te) kom­men, ohne erkenn­ba­re orga­ni­sches Ursa­che und bei nor­ma­len Labor­wer­ten. Es han­delt sich auf Grund der ähn­li­chen Sym­pto­me um eine wich­ti­ge Dif­fe­ren­ti­al­dia­gno­se rheu­ma­ti­scher und ortho­pä­di­scher Krank­heits­bil­der. Daher muss vor Dia­gno­se­stel­lung eine aus­führ­li­che mul­ti­dis­zi­pli­nä­re Dia­gnos­tik erfol­gen, die Blut­ent­nah­men, radio­lo­gi­sche Bild­ge­bung und eine inter­dis­zi­pli­nä­re Fall­be­spre­chung beinhal­ten soll­te. Die cS kann loka­li­siert (an einer Extre­mi­tät oder am Rücken) oder gene­ra­li­siert im Rah­men eines sog. pri­mä­ren juve­ni­len Fibro­my­al­gie­syn­droms auf­tre­ten. Es han­delt sich um ein zuneh­men­des Phä­no­men, Mäd­chen sind deut­lich häu­fi­ger betrof­fen als Jun­gen. Die Ursa­chen sind wei­test­ge­hend unklar, eine Mischung aus kör­per­ei­ge­nen Fak­to­ren (z.B. weib­li­ches Geschlecht, frü­he Puber­tät, vege­ta­ti­ve Stö­run­gen usw.) und äuße­ren Ein­flüs­sen (frü­he­re Schmerz­er­fah­rung, psy­cho­so­zia­le Stress­fak­to­ren) wird vermutet.

Therapie/Monitoring:

Schmerz­mit­tel (Ibu­profen, Par­acet­amol usw.) mög­lichst nur kurz und nur, wenn sie einen guten Effekt haben. Kein Ein­satz von Opi­aten. Eine mul­ti­mo­da­le The­ra­pie aus Physio‑, Ergo- und ins­be­son­de­re Psy­cho­the­ra­pie ist emp­feh­lens­wert. Schritt­wei­se Wie­der­ein­glie­de­rung in die Schu­le und Freizeitsport. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz: 

Die Pro­gno­se den loka­li­sier­ten cS bei Kin­dern ist bei frü­her Dia­gno­se­stel­lung und leit­li­ni­en­ge­rech­ter The­ra­pie sehr gut: 90% zei­gen eine kom­plet­te Aus­hei­lung. Die Pro­gno­se ver­schlech­tert sich dra­ma­tisch bei lan­ger Fehl­be­hand­lung mit pas­si­ver Ruhig­stel­lung (z.B. Gips). Beim juve­ni­len Fibro­my­al­gie­syn­drom ist die Behand­lung häu­fig lang­wie­rig und von Rück­fäl­len geprägt. Bei 2/3 der Jugend­li­chen kann jedoch eine deut­li­che Sta­bi­li­sie­rung mit wei­test­ge­hend nor­ma­ler Teil­nah­me am All­tag erreicht wer­den. Vie­le Pati­en­ten wer­den jedoch nicht voll­stän­dig schmerzfrei. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Das Risi­ko einer KWG steigt, wenn Dau­er­schmer­zen mit star­ken maxi­ma­len Schmerz­spit­zen, ohne aus­rei­chen­des Anspre­chen auf Schmerz­mit­tel. Teils star­ke Beein­träch­ti­gung von Gelenk­funk­tio­nen (z.B. Geh­un­fä­hig­keit) und Schmer­zen füh­ren zu sozia­lem Rück­zug, Schul­fehl­zei­ten und Depres­si­on. Vege­ta­ti­ve Begleit­phä­no­me­ne (Kopf- u. Bauch­schmer­zen, Schwin­del und Schlaf­stö­run­gen) kön­nen die psy­cho­so­zia­len Pro­ble­me ver­stär­ken. Die Fami­li­en sind dadurch häu­fig über Jah­re hin­weg erheb­li­chen Belas­tun­gen ausgesetzt. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • The­ra­pie­re­sis­ten­te Schmer­zen ohne auf­find­ba­re Ursache 
  • Schul­ab­sen­tis­mus wg. Schmerzen 
  • Depres­sio­nen im Rah­men von Schmerzsyndromen 

Handlungsempfehlungen

  • Dia­gnos­tik zum Aus­schluss von behan­del­ba­ren Erkrankungen 
  • Mul­ti­dis­zi­pli­nä­res Behand­lungs­kon­zept (inkl. Psychotherapie) 
  • Schritt­wei­se Wiedereingliederung 
  • Vor­ge­hen ent­spre­chend Flow­chart B

Depression

Depres­si­ve Epi­so­den zei­gen sich bei Kin­dern und Jugend­li­chen häu­fig durch alters­ab­hän­gi­ge Auf­fäl­lig­kei­ten. Klas­si­sche depres­si­ve Sym­pto­me sind: Gedrück­te Stim­mung, Inter­es­sen­ver­lust und Antriebs­min­de­rung. Die Fähig­keit zur Freu­de, die Kon­zen­tra­ti­on, der Schlaf und Selbst­wert­ge­fühl kön­nen beein­träch­tigt sein. Bei Kin­dern und Jugend­li­chen kön­nen die klas­si­schen depres­si­ven Sym­pto­me deut­lich weni­ger stark aus­ge­prägt sein. Nicht sel­ten über­wie­gen Sym­pto­me, die einem ADHS ähneln (z. B. Kon­zen­tra­ti­ons­schwä­che, Aggres­si­vi­tät). In Abhän­gig­keit vom Alter steht u. a. fol­gen­de Sym­pto­ma­tik im Vordergrund: 

  • Klein­kind­al­ter (1–3 Jah­re): Über­an­häng­lich­keit, Teil­nahms­lo­sig­keit, Spielunlust. 
  • Vor­schul­al­ter (3–6 Jah­re): Teil­nahms­lo­sig­keit, Ess- und Schlaf­stö­run­gen, Stim­mungs­la­bi­li­tät, auf­fal­len­de Ängstlichkeit. 
  • Schul­kin­der (6–12 Jah­re): Berich­te über Trau­rig­keit, Schuld­ge­füh­le, Suizidgedanken. 
  • Puber­täts- und Jugend­al­ter (13–18 Jah­re): Selbst­zwei­fel, Ängs­te, Sui­zid­ge­dan­ken, Iso­la­ti­on, psy­cho­so­ma­ti­sche Beschwer­den (z. B. Kopf- oder Bauchschmerzen). 

Häu­fig geht eine Depres­si­on bei Kin­dern und Jugend­li­chen mit ande­ren psy­chi­schen Erkran­kun­gen ein­her, wie z. B. Angst­stö­run­gen, somat­o­for­me Stö­run­gen, ADHS. Kin­der mit ent­spre­chen­dem gene­ti­schem Risi­ko erkran­ken in einer ungüns­ti­gen psy­cho­so­zia­len Umge­bung häu­fi­ger an Depres­sio­nen. Als psy­cho­so­zia­le Risi­ko­fak­to­ren gel­ten Erkran­kun­gen der Eltern sowie Ver­nach­läs­si­gung, Miss­hand­lung, und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­me in der Familie. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Die The­ra­pie besteht meis­tens aus Auf­klä­rung über die Erkran­kung, Psy­cho­the­ra­pie unter Ein­be­zie­hung der Fami­lie und ggf. medi­ka­men­tö­ser The­ra­pie. Bei hohem Sui­zid­ri­si­ko kann eine sta­tio­nä­re Behand­lung erfor­der­lich sein. Für Eltern kann es hilf­reich sein sich in einer spe­zi­el­len Eltern­grup­pe mit ande­ren betrof­fe­nen Eltern auszutauschen. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:

Auch, wenn Sui­zi­de im Kin­des­al­ter noch sehr sel­ten sind, so zäh­len sie im Jugend­al­ter zu den häu­figs­ten Todes­ur­sa­chen. Sui­zi­da­le Gedan­ken sind ein Sym­ptom der Depres­si­on: Bei Jugend­li­chen besteht bei Depres­si­on ein bis zu 20-fach erhöh­tes Risi­ko für sui­zi­da­les Ver­hal­ten. Für depres­si­ve Sym­pto­me im Kin­des- und Jugend­al­ter besteht ein ca. 80-pro­zen­ti­ges Chronifizierungsrisiko. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Die viel­fäl­ti­gen Ver­hal­tens­auf­fäl­lig­kei­ten im Rah­men einer Depres­si­on kön­nen den Umgang mit betrof­fe­nen Kin­dern sehr erschwe­ren. Die Eltern sind in beson­de­rer Wei­se zu Ein­füh­lungs­ver­mö­gen und Ver­ständ­nis gezwun­gen. Dies kann zu erheb­li­chen Span­nun­gen im Fami­li­en­sys­tem füh­ren. Häu­fig füh­len sich die Eltern hilf­los und über­for­dert. Ins­be­son­de­re bei Chro­ni­fi­zie­rung reagie­ren Eltern häu­fig mit Resi­gna­ti­on, wor­aus eine Ver­nach­läs­si­gung des Kin­des resul­tie­ren kann. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • Sui­zid­dro­hun­gen und ‑ankün­di­gun­gen
  • gro­ße Hoffnungslosigkeit 
  • Ange­le­gen­hei­ten ord­nen, Abschied nehmen 

Handlungsempfehlungen


Diabetes mellitus Typ 1

Dia­be­tes mel­li­tus Typ 1 (DM 1) ist eine gene­tisch beding­te Auto­im­mun­krank­heit, der ein Unter­gang von Insu­lin pro­du­zie­ren­den Zel­len der Bauch­spei­chel­drü­se zu Grund liegt. DM 1 führt meist kri­sen­haft begin­nend im Kin­des- oder Jugend­al­ter zu einer Stö­rung des Zucker­stoff­wech­sels. Der Blut­zu­cker (BZ) ist erhöht und muss über syn­the­ti­sches Insu­lin gesenkt wer­den. Fol­gen der Erkran­kung sind Gefäß­schä­den und meist nach meh­re­ren Jahr­zehn­ten Ver­lust der Seh­kraft, Herz­in­fark­te, Schlag­an­fäl­le und Nierenschäden. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Zur Behand­lung wird Insu­lin in das Unter­haut­fett­ge­we­be gespritzt. Vor­aus­set­zung für eine gute Ein­stel­lung des DM 1 sind regel­mä­ßi­ge Blut­zu­cker­mes­sun­gen und an die Mahl­zei­ten ange­pass­te Insu­lin­ga­ben. Insu­lin­pum­pen und moder­ne Sys­te­me zur kon­ti­nu­ier­li­chen BZ-Mes­sung kön­nen die Anzahl an Punk­tio­nen ver­min­dern und die Ein­stel­lung ver­bes­sern. Vor­aus­set­zung für eine gute Behand­lung des DM 1 sind inten­si­ve Schu­lun­gen der Eltern und des Kin­des. Ist die Erkran­kung gut ein­ge­stellt, kann im Labor ein nied­ri­ger HbA1c-Wert (Ziel < 7,5 %) gemes­sen werden. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:

Kurz­fris­tig: Unter­zu­cker (Hypo­glyk­ämie) und Koma bei inad­äquat hoher Insu­lin­men­ge. Über­zu­cker (Hyper­glyk­ämie) und dro­hen­de Keto­azi­do­se (gefähr­li­che Stoff­wech­sel­ent­glei­sung) bei fehlender/inadäquat nied­ri­ger Insu­lin­men­ge bzw. schlech­ter Anpas­sung an Mahlzeiten. 

Lang­fris­tig: Gefäß­schä­den und meist nach meh­re­ren Jahr­zehn­ten Ver­lust der Seh­kraft, Herz­in­fark­te, Schlag­an­fäl­le und Nie­ren­schä­den. Je schlech­ter die Ein­stel­lung, des­to früher.

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

DM 1 ist als schwer­wie­gen­de chro­ni­sche Erkran­kung als Belas­tung für die Fami­lie ein­zu­stu­fen. Bei bereits zuvor belas­te­ten Fami­li­en kön­nen die Anfor­de­run­gen die Res­sour­cen über­stei­gen. Beson­ders zu Beginn, bei ein­schnei­den­den Lebens­er­eig­nis­sen und in der Puber­tät kann es zu The­ra­pie­pro­ble­men oder ‑ver­wei­ge­rung kommen. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • Unter­zu­cker: Zit­tern, Kalt­schwei­ßig­keit, Benom­men­heit, Koma. Blut­zu­cker­wer­te < 50 mg/dl.
  • Über­zu­cker: Durst, stän­di­ges Was­ser­las­sen, Übel­keit, Kopf­schmer­zen, Koma 
  • HbA1c-Wert > 10 % über 6–12 Mona­te, häu­fi­ge Ent­glei­sun­gen (Über- oder Unter­zu­cke­rung) bei aus­rei­chen­der Behand­lung und Schulung 

Handlungsempfehlungen


Epilepsie

Als Epi­lep­sie wird das Wie­der­keh­ren epi­lep­ti­scher Anfäl­le durch Über­ak­ti­vi­tät der Ner­ven­zel­len im Gehirn bezeich­net. Nur ca. 0,5 % der Kin­der haben eine Epi­lep­sie, wäh­rend bis zu 5 % der Kin­der min­des­tens ein­mal einen Krampf­an­fall erlei­den, z. B. im Rah­men eines Fie­ber­kramp­fes. Unter Epi­lep­sie wer­den ver­schie­de­ne Krank­heits­bil­der zusam­men­ge­fasst. Unter­schie­den wird dabei zwi­schen foka­len Epi­lep­sien, bei denen ledig­lich ein Teil des Gehirns betrof­fen ist und es z. B. zu Zuckun­gen ein­zel­ner Kör­per­tei­le kommt, und gene­ra­li­sier­ten Epi­lep­sien, die z. B. bei der häu­fi­gen juve­ni­len Absence-Epi­lep­sie mit mehr­mals täg­li­chen, kur­zen Aus­set­zern des Bewusst­seins einhergehen. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Die Pro­gno­se ist für die unter­schied­li­chen Epi­lep­sie­for­men sehr unter­schied­lich. Bei etwa 70 % der Kin­der kann durch die The­ra­pie Anfalls­frei­heit erreicht wer­den und die Kin­der sind geis­tig nor­mal ent­wi­ckelt und eben­so intel­li­gent wie Kin­der ohne Epi­lep­sie. Meis­tens müs­sen die Kin­der dafür täg­lich Medi­ka­men­te, soge­nann­te Anti­epi­lep­ti­ka ein­neh­men. Mög­lich ist auch eine keto­ge­ne Diät, bei der die Kin­der zuguns­ten von Fet­ten auf koh­len­hy­dratrei­che Kost verzichten. 

Verhalten bei Krampfanfall: 

  • Ruhe bewah­ren. Die meis­ten Anfäl­le klin­gen von allei­ne wie­der ab 
  • Gegen­stän­de aus dem Umfeld des Kin­des räumen 
  • Kind nicht festhalten 
  • Bei Anfäl­len über 3 Minu­ten Not­fall­me­di­ka­ment (Dia­ze­pam-Zäpf­chen rek­tal oder Mid­azo­lam in die Wan­gen­ta­sche) geben 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:

Wird die anti­epi­lep­ti­sche The­ra­pie nicht kon­se­quent durch­ge­führt kann es zur Häu­fung der Anfäl­le kom­men. Häu­fi­ge Anfäl­le sind für die Kin­der kör­per­lich und psy­chisch sehr belas­tend. Die Fol­gen sind Kon­zen­tra­ti­ons­stö­run­gen und Leis­tungs­ver­lust, ein schwa­ches Selbst­wert­ge­fühl und Ängs­te vor dem nächs­ten Anfall, wodurch häu­fig auf Akti­vi­tä­ten wie Sport ver­zich­tet wird. Hin­zu­kommt ein erhöh­tes Ver­let­zungs­ri­si­ko, z. B. durch anfalls­be­ding­te Stürze. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Bis zu 80 % der Kin­der mit Epi­lep­sie sind durch­schnitt­lich intel­li­gent und könn­ten daher die ihnen ent­spre­chen­de Regel­schu­le besu­chen und einen nor­ma­len All­tag leben. Eine unzu­rei­chen­de The­ra­pie­ad­hä­renz mit gehäuf­ten Anfäl­len hin­dert die betrof­fe­nen Kin­der in ihren Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten und stel­len somit eine Kin­des­wohl­ge­fähr­dung dar. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • gehäuf­te Anfälle 
  • unkla­rer Therapieplan 
  • Tabui­sie­rung und Negie­rung der Erkrankung 

Handlungsempfehlungen


Frühgeburtlichkeit

Etwa 6 bis 8 % aller Kin­der kom­men in Deutsch­land zu früh, d.h. vor der 37. Schwan­ger­schafts­wo­che zur Welt. Das sind 50.000 – 60.000 Früh­chen pro Jahr. Unter ihnen sind etwa 10 % mit einem Geburts­ge­wicht unter 1.500 g (sehr unreif gebo­re­ne Babys) und 5 % mit einem Geburts­ge­wicht unter 1.000 g (extrem unreif gebo­re­nen Babys). Die Unrei­fe des Neu­ge­bo­re­nen stellt ein erheb­li­ches Risi­ko für die kör­per­li­che, geis­ti­ge und psy­chi­sche Ent­wick­lung dar. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Die Behand­lung von extrem unrei­fen Früh­ge­bo­re­nen auf einer ent­spre­chend spe­zia­li­sier­ten Inten­siv­sta­ti­on (Neo­na­to­lo­gie) ist sehr kom­plex. Früh­ge­bo­re­ne sind von aku­ten Früh­ge­burts­kom­pli­ka­tio­nen bedroht, wie z. B.Neonatales Atem­not­syn­drom (RDS), Bron­cho­pul­mo­n­a­le Dys­pla­sie (BPD), Hirn­blu­tung (IVH), peri­ven­tri­ku­lä­re Leu­koma­la­zie (PVL), nekro­ti­sie­ren­de Ente­ro­ko­li­tis (NEC), per­sis­tie­ren­der Duc­tus arte­rio­sus (PDA), und Früh­ge­bo­re­nen­re­ti­no­pa­thie (ROP). Die Dau­er der Behand­lung ent­spricht häu­fig dem Zeit­raum bis zu dem eigent­lich errech­ne­ten Geburtstermin. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:

Aus medi­zi­ni­scher Sicht ist zur Prä­ven­ti­on von Erkran­kun­gen, zu des­sen Früh­erken­nung und zur recht­zei­ti­gen Ein­lei­tung erfor­der­li­cher the­ra­peu­ti­scher Maß­nah­men eine kon­ti­nu­ier­li­che und hin­rei­chen­de eng­ma­schi­ge Nach­sor­ge wün­schens­wert. Im Anschluss an die sta­tio­nä­re Behand­lung von sehr klei­nen Früh­ge­bo­re­nen wird die­sen Kin­dern bis zum Alter von zwei Jah­ren eine zusätz­li­che Anbin­dung in einer spe­zi­el­len Früh­ge­bo­re­nen­nach­sor­ge­sprech­stun­de von den jewei­li­gen Zen­tren ange­bo­ten. Der Fokus der Nach­sor­ge soll­te über die soma­ti­schen und neu­ro­lo­gi­schen Unter­su­chun­gen hin­aus­ge­hen und ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gi­sche Metho­den zur Iden­ti­fi­ka­ti­on von Lern- und Ver­hal­tens­pro­ble­men sowie zur Ein­schät­zung der Eltern-Kind-Bezie­hung und Fami­li­en­be­las­tun­gen mit­ein­be­zie­hen. Die Nach­sor­ge muss indi­vi­du­ell auf die Pro­ble­me des Kin­des und die elter­li­chen Bedürf­nis­se abge­stimmt wer­den. Die Nach­sor­ge­pro­gram­me umfas­sen u. a. Kran­ken­gym­nas­tik, Ergo­the­ra­pie, Früh­för­de­rung, Logo­pä­die und psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Eltern-Kind-Behandlung. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Das Risi­ko hängt maß­geb­lich von der zugrun­de­lie­gen­den Erkran­kung oder Beein­träch­ti­gung ab. Bei bereits zuvor belas­te­ten Fami­li­en kön­nen die Anfor­de­run­gen die Res­sour­cen über­stei­gen. Wer­den z. B. medi­zi­ni­sche Kon­troll­ter­mi­ne und the­ra­peu­ti­sche Behand­lun­gen wie­der­holt nicht wahr­ge­nom­men, kann eine Kin­des­wohl­ge­fähr­dung resultieren. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • extre­me Frühgeburt 
  • kör­per­li­che, geis­ti­ge und psy­chi­sche Entwicklungsverzögerungen 

Handlungsempfehlungen

  • Vor­stel­lung in Frühgeborenennachsorgesprechstunde 
  • Sozi­al­me­di­zi­ni­sche Nachsorge 
  • Früh­för­de­rung
  • Klein­kind­psy­cho­the­ra­pie
  • Vor­ge­hen ent­spre­chend Flow­chart B

Hepatitis

Hepa­ti­tis ist eine meis­tens durch Viren ver­ur­sach­te Ent­zün­dung der Leber. Die Hepa­ti­tis­vi­ren wer­den alpha­be­tisch von A‑E ein­ge­teilt, wobei i. d. R. nur die Viren B und C einen chro­ni­schen Ver­lauf auf­wei­sen. Eine Infek­ti­on mit Hepa­ti­tis­vi­ren kann zu einem aku­ten Leber­ver­sa­gen füh­ren und chro­ni­fi­zie­ren, d.h. die Erkran­kung heilt nicht von selbst aus, son­dern kann eine Ent­zün­dung über Jahr­zehn­te ver­ur­sa­chen, die dann zu einem Umbau der Leber bis hin zur Not­wen­dig­keit einer Leber­trans­plan­ta­ti­on füh­ren kann und ein hohes Risi­ko der Ent­wick­lung eines Leber­kreb­ses mit sich trägt. Die Über­tra­gung der Hepa­ti­tis­vi­ren geschieht bei Kin­dern meis­tens von einer infi­zier­ten Mut­ter auf ihr Kind wäh­rend der Geburt. Mög­lich ist eine Infek­ti­on auch über den Kon­takt ver­letz­ter Haut mit infi­zier­tem Blut, durch unge­schütz­ten Geschlechts­ver­kehr und infi­zier­te Nadeln z. B. Dro­gen­kon­sum). Kin­der mit einer chro­ni­schen Hepa­ti­tis haben häu­fig kei­ne Sym­pto­me. Mög­li­che Sym­pto­me sind Leis­tungs­schwä­che, Müdig­keit, Ver­dau­ungs­be­schwer­den, Gelenkschmerzen. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Da Infek­tio­nen mit Hepa­ti­tis B und C im Kin­des- und ins­be­son­de­re im Säug­lings­al­ter häu­fig chro­ni­fi­zie­ren kann ver­sucht wer­den, die­se zu behan­deln. Eine Hei­lung ist im Fal­le einer Hepa­ti­tis-B-Infek­ti­on aller­dings bei weni­ger als 50 % der Betrof­fe­nen mög­lich. Eine The­ra­pie muss nicht in jedem Fall ein­ge­lei­tet wer­den, son­dern wird indi­vi­du­ell von den behan­deln­den Ärzt:innen ent­schie­den. Wich­tig sind regel­mä­ßi­ge Kon­troll­ter­mi­ne, um mög­li­che Kom­pli­ka­tio­nen früh­zei­tig zu erken­nen und behan­deln zu kön­nen. Zum Schutz gegen Hepa­ti­tis B steht eine Imp­fung zur Ver­fü­gung, die am Ende des 2. Lebens­mo­nats emp­foh­len ist. Im Fal­le einer infi­zier­ten Schwan­ge­ren steht ein spe­zi­el­ler Impf­stoff zum Schutz des Neu­ge­bo­re­nen zur Ver­fü­gung. Im Fal­le einer chro­ni­schen Hepa­ti­tis C liegt die Hei­lungs­ra­te bei über 90 % und wird ange­strebt. Eine Imp­fung gegen Hepa­ti­tis C gibt es nicht. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:

Eine nicht behan­del­te Hepa­ti­tis erhöht lang­fris­tig das Risi­ko für eine unum­kehr­ba­re Leber­funk­ti­ons­stö­rung. Eine Hei­lung bie­tet in sol­chen Fäl­len nur noch eine Leber­trans­plan­ta­ti­on. Zusätz­lich haben betrof­fe­ne ein ca. 100-fach erhöh­tes Risi­ko für die Ent­ste­hung von Leber­krebs und kön­nen u. U. wei­te­re Per­so­nen infizieren. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Die Not­wen­dig­keit der regel­mä­ßi­gen Medi­ka­men­ten­ein­nah­me und häu­fi­ge Arzt­ter­mi­ne kön­nen eine Über­for­de­rung der Eltern begüns­ti­gen. Als Infek­ti­ons­er­kran­kung ist die Hepa­ti­tis häu­fig mit Stig­ma­ta belegt, was mit Scham­ge­füh­len der Eltern ein­her­ge­hen kann. Mög­lich ist, dass Eltern ver­su­chen die Erkran­kung geheim zu hal­ten und als gro­ße emo­tio­na­le Belas­tung emp­fin­den. Häu­fig hat sich das betrof­fe­ne Kind bei der Mut­ter ange­steckt, was zu aus­ge­präg­ten Schuld­ge­füh­len füh­ren kann. Ein Groß­teil der Infi­zier­ten Erwach­se­nen hat sich durch Dro­gen­ge­brauch (infi­zier­te Sprit­zen) angesteckt. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • man­geln­de Kennt­nis des Behandlungsplanes 
  • Gelb­fär­bung von Augen und Haut 
  • dro­gen­ab­hän­gi­ge Eltern 

Handlungsempfehlungen


HIV / AIDS 

Humanes Immundefizienz-Virus / Acquired Immunodeficiency Syndrom 

Nach einer Infek­ti­on mit dem HI-Virus kann es zu der Erkran­kung AIDS kom­men. Ein Kind kann sich wäh­rend der Geburt oder beim Stil­len bei der infi­zier­ten Mut­ter anste­cken. Wei­te­re Über­tra­gungs­we­ge sind sexu­el­ler Kon­takt sowie direk­ter Blut­kon­takt. Ande­re Kör­per­flüs­sig­kei­ten sind nicht anste­ckend. Wäh­rend der ers­ten Zeit tre­ten kaum Krank­heits­zei­chen auf und man spricht von einer HIV-Infek­ti­on. Erst mit dem Auf­tre­ten bestimm­ter Infek­tio­nen oder Tumo­ren spricht man von AIDS. Das Virus befällt bestimm­te Zel­len des Immun­sys­tems, wel­ches dadurch sei­ne Funk­ti­on ver­liert. Durch die man­geln­de Immun­ab­wehr kommt es zum Aus­bre­chen von lebens­be­droh­li­chen Infek­tio­nen, die vom Kör­per nicht bekämpft wer­den können. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Zur Behand­lung wird eine medi­ka­men­tö­se Kom­bi­na­ti­ons­the­ra­pie ein­ge­setzt, die als cART bezeich­net wird (com­bi­ned Anti-Retro­vi­ral The­ra­py). Pati­en­ten mit hoher The­ra­pie­ad­hä­renz haben inzwi­schen eine ähn­li­che Lebens­er­war­tung wie die All­ge­mein­be­völ­ke­rung und sind für ande­re Men­schen nicht anste­ckend. Auch das Über­tra­gungs­ri­si­ko einer schwan­ge­ren Mut­ter auf ihr Kind kann somit auf unter 1 % gesenkt wer­den. Zwar kann das Vor­lie­gen der HIV-Infek­ti­on nicht geheilt wer­den, aber das Fort­schrei­ten ins AIDS-Sta­di­um kann ver­hin­dert wer­den. Durch die Bestim­mung der Virus­last ist es mög­lich die Krank­heits­ak­ti­vi­tät und Anste­ckungs­ge­fahr eines Pati­en­ten zu bestim­men und somit auch die Ein­hal­tung der The­ra­pie zu beur­tei­len. Bei der Ein­nah­me der täg­lich ein­zu­neh­men­den Medi­ka­men­te ist sehr genau auf die Zei­ten zu ach­ten. Neben­wir­kun­gen kön­nen Übel­keit, Erbre­chen und Durch­fall sein. Wenn die Erkran­kung doch ins AIDS-Sta­di­um über­geht, ist das Leben der Kin­der durch häu­fi­ge Infek­tio­nen, Arzt­ter­mi­ne, Kran­ken­haus­auf­ent­hal­te und auf­wän­di­ge The­ra­pien bestimmt. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:

Wird die The­ra­pie nicht umge­setzt, schrei­tet die Infek­ti­on in das AIDS-Sta­di­um fort. In die­sem kommt es zu Infek­tio­nen prin­zi­pi­ell aller Orga­ne, die auf­grund der feh­len­den Funk­ti­on des Immun­sys­tems meis­tens zum Tode führen. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Die Krank­heit ist ins­be­son­de­re durch die täg­li­che Medi­ka­men­ten­ein­nah­me sehr prä­sent und häu­fig mit Scham behaf­tet. Eltern hal­ten die Dia­gno­se häu­fig geheim. Bei Bekannt­wer­den reagiert das Umfeld häu­fig mit Angst. Bei der The­ra­pie gilt es viel zu beach­ten, was das Risi­ko für eine Über­for­de­rung der Eltern erhöht. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • Feh­len eines Medikamentenplanes 
  • häu­fi­ge Infektionen 
  • nicht wahr haben wol­len der Erkrankung 

Handlungsempfehlungen

  • Kon­takt­auf­nah­me zum/zur Behandler:in
  • Wei­te­re, detail­lier­te­re Infor­ma­tio­nen: www.kinder-aids.de
  • Vor­ge­hen ent­spre­chend Flow­chart B

Krebserkrankungen

Im Kin­des- und Jugend­al­ter sind Krebs­er­kran­kun­gen sehr sel­ten. Sie machen ins­ge­samt nur 1% aller Erkran­kun­gen in die­ser Alters­grup­pe aus. Den­noch ist Krebs die am häu­figs­ten auf­tre­ten­de töd­li­che Krank­heit bei Kin­dern und Jugend­li­chen. In Deutsch­land sind jedes Jahr etwa 2.200 Pati­en­ten unter 18 Jah­ren davon betrof­fen. Die häu­figs­ten Krebs­er­kran­kun­gen sind Leuk­ämien mit etwa 30%, gefolgt von Tumo­ren des Zen­tral­ner­ven­sys­tems (Hirn­tu­mo­ren) mit etwa 24% und Lym­pho­men mit unge­fähr 14%. Ver­hält­nis­mä­ßig häu­fig sind auch Weich­ge­webs­sar­ko­me (cir­ca 5,7%), das Neu­ro­blas­tom (cir­ca 5,5%) und das Nephro­blas­tom (Wilms-Tumor, 4,2%). Krebs­er­kran­kun­gen, die bei Kin­dern auf­tre­ten, unter­schei­den sich in vie­ler­lei Hin­sicht von Krebs­er­kran­kun­gen bei Erwach­se­nen. Dies betrifft sowohl die Art der Erkran­kun­gen als auch die Häu­fig­keit ihres Auf­tre­tens, die Art der Behand­lung und die Pro­gno­se. Auch kön­nen Kin­der und Jugend­li­che in der Regel erfolg­rei­cher behan­delt wer­den als Erwachsene. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Krebs­er­kran­kun­gen bei Kin­dern und Jugend­li­chen wer­den mit einer Che­mo­the­ra­pie behan­delt. Je nach Erkran­kung und Schwe­re wird ein The­ra­pie­plan gestrickt, der meist Tag genau ein­ge­hal­ten wer­den muss. Die The­ra­pie bei Krebs­er­kran­kung ver­läuft über meh­re­re Wochen bis Mona­te. Im Anschluss kann es bei eini­gen Krebs­er­kran­kun­gen wie z. B. der Leuk­ämie eine Strah­len­the­ra­pie erfol­gen. Die The­ra­pie Blö­cke sind in sta­tio­nä­ren sowie ambu­lan­te Behand­lun­gen auf­ge­teilt. Die Neben­wir­kun­gen der The­ra­pie wie z. B. Erbre­chen, Durch­fall und Fie­ber wer­den sym­pto­ma­tisch behan­delt. Zu jedem The­ra­pie­plan erhal­ten die Eltern eine Bedarfs­me­di­ka­ti­on für die Behand­lung der Neben­wir­kun­gen. Zusätz­lich müs­sen in der Ernäh­rung auf Pro­duk­te ver­zich­tet wer­den, die Spo­ren von Pil­zen erhal­ten kön­nen, wie z. B. Nüs­se oder Erd­bee­ren. Die Patient:innen sind wäh­rend der Akut­be­hand­lung immun­ge­schwächt und dür­fen häu­fig nicht die Kita oder Schu­le besu­chen oder der Aus­bil­dung nachgehen. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz: 

Bei Nicht­be­fol­gen der medi­ka­men­tö­sen The­ra­pie kann es zu Fort­schrei­ten oder Rück­fäl­len der Erkran­kung kom­men und somit regel­mä­ßig zu lebens­be­droh­li­chen Situa­tio­nen. Wer­den die hygie­ni­schen Vor­ga­ben miss­ach­tet, kön­nen gefähr­li­che Infek­tio­nen auftreten. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Das Risi­ko für eine Kin­des­wohl­ge­fähr­dung ist ins­be­son­de­re dann erhöht, wenn die Belas­tung durch die anspruchs­vol­le und neben­wir­kungs­rei­che The­ra­pie die fami­liä­ren Res­sour­cen über­steigt. Kin­der aus Fami­li­en mit beson­de­ren welt­an­schau­li­chen Vor­stel­lun­gen (z. B. beim Ableh­nen von Blut­trans­fu­sio­nen) kön­nen beson­ders gefähr­det sein. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • Fie­ber unter Chemotherapie 
  • Nacken­stei­fig­keit
  • Schläfrigkeit/Bewusstseinsstörungen
  • Ableh­nung der The­ra­pie bei nach­ge­wie­se­ner mali­gner Erkrankung 

Handlungsempfehlungen

  • Vor­stel­lung in einer Notaufnahme 
  • Kon­takt­auf­nah­me zum/zur Behandler:in
  • Vor­ge­hen ent­spre­chend Flow­chart B

Migräne / Chronischer Kopfschmerz 

Als Kopf­schmer­zen wer­den ver­schie­de­ne Schmerz­ein­drü­cke im Bereich des Kop­fes zusam­men­ge­fasst. Die häu­figs­ten pri­mä­ren Kopf­schmerz­ar­ten sind der Span­nungs­kopf­schmerz (ca. 70 %) und die Migrä­ne (ca. 13 %). Der Span­nungs­kopf­schmerz tritt meist beid­sei­tig auf. Er kann spo­ra­disch oder über meh­re­re Tage hin­weg auf­tre­ten.  Bei der Migrä­ne han­delt es sich um einen rezi­di­vie­rend auf­tre­ten­den, oft ein­sei­tig loka­li­sier­ten Kopf­schmerz, wel­cher oft­mals mit Übel­keit, Erbre­chen, Lärm- und Licht­emp­find­lich­keit ein­her­geht. In etwa 10–30 % der Fäl­le kommt es dabei zu Aura-Phä­no­me­nen. Damit wer­den rever­si­ble neu­ro­lo­gi­sche Aus­fäl­le wie z. B. Seh­stö­run­gen oder Mus­kel­schwä­chen bezeich­net, die nicht län­ger als eine Stun­de anhal­ten. Die Sym­pto­me ver­stär­ken sich bei kör­per­li­cher Akti­vi­tät. Abzu­gren­zen sind die­se Kopf­schmerz­ar­ten von Kopf­schmer­zen, als Sym­ptom ande­rer Erkran­kun­gen (z B. Ent­zün­dun­gen, Hirn­tu­mo­ren) und einer not­fall­mä­ßi­gen Hand­lung bedür­fen (sie­he Red Flags). 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Unter­schie­den wird zwi­schen einer aku­ten Kopf­schmerz­at­ta­cke und der Pro­phy­la­xe bei chro­ni­schen For­men. Die aku­ten For­men wer­den mit gän­gi­gen Schmerz­mit­teln (z. B. Ibu­profen) behan­delt. Bei der chro­ni­schen Form soll­te eine medi­ka­men­tö­se oder nicht medi­ka­men­tö­se Pro­phy­la­xe erfol­gen. Ein län­ger­fris­ti­ger Gebrauch von Schmerz­mit­teln soll­te ver­mie­den wer­den, da durch die­se Kopf­schmer­zen indu­ziert wer­den kön­nen. Bei allen For­men des chro­ni­schen Kopf­schmer­zes sind nicht-medi­ka­men­tö­se Maß­nah­men wie Ent­span­nungs­tech­ni­ken und regel­mä­ßi­ger Aus­dau­er­sport wesent­li­che Bestand­tei­le der The­ra­pie. Wäh­rend einer Migrä­ne­at­ta­cke soll­te es den Betrof­fe­nen mög­lich sein sich in einen dunk­len, ruhi­gen Raum zurück­zu­zie­hen und kör­per­li­che Akti­vi­tät zu ver­mei­den, um die Sym­pto­me nicht zu verstärken. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:

In der Akut­pha­se ist es den Betrof­fe­nen häu­fig nicht mög­lich ihre all­täg­li­chen Auf­ga­ben zu bewäl­ti­gen, in sozia­le Inter­ak­ti­on zu tre­ten oder an kör­per­li­chen Akti­vi­tä­ten teil­zu­neh­men. Sozia­ler Rück­zug und schu­li­sche Leis­tungs­ver­schlech­te­rung kön­nen die Fol­ge sein. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Bei Nicht­be­fol­gen der pro­phy­lak­ti­schen The­ra­pie kann die Anzahl der Kopf­schmerz­at­ta­cken so stark stei­gen, dass eine Teil­nah­me am All­tag stark beein­träch­tigt wird. Eine erzwun­ge­ne Teil­nah­me am All­tags­le­ben wäh­rend einer Atta­cke geht für die Betrof­fe­nen mit stärks­ten Schmer­zen ein­her. Das Vor­lie­gen von chro­ni­schen Kopf­schmer­zen kann Aus­druck von psy­cho­so­zia­ler und psy­chi­scher Belas­tungs­fak­to­ren sein. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • Vernichtungskopfschmerz/stärkster Kopf­schmerz
  • Fie­ber
  • Schläfrigkeit/Bewusstseinsstörungen

Handlungsempfehlungen


Münchhausen by proxy Syndrom 

Das Münch­hau­sen-by-pro­xy-Syn­drom, auch als Münch­hau­sen Stell­ver­tre­ter-Syn­drom bekannt,  ist dadurch gekenn­zeich­net, dass der betrof­fe­ne Eltern­teil eine Erkran­kung des Kin-des her­vor­ruft, ver­stärkt oder vor­täuscht und wie­der­holt Ärzt:innen auf­sucht, denen er die wah­ren Ursa­chen des Krank­heits­bil­des nicht offen­bart, um die­se zur Durch­füh­rung — oft­mals inva­si­ver — Unter­su­chun­gen oder Behand­lun­gen zu ver­an­las­sen und hier­durch Auf­merk­sam­keit zu erlan­gen [47].  In der über­wie­gen­den Mehr­zahl der Fäl­le sind Müt­ter (oder Pfle­ge­müt­ter) die Ver­ur­sa­che­rin­nen. Das Her­vor­ru­fen von Erkran­kun­gen beim Kind führt zu ent­spre­chen­den phy­si­schen Schä­di­gun­gen des Kin­des, gege­be­nen­falls bis hin zum Tod. Das elter­li­che Ver­hal­ten kann zudem erheb­li­che psy­chi­sche Fol­gen und Ver­un­si­che­rung nach sich zie­hen, weil das Kind die Erfah­rung macht, den Eltern im intims­ten Lebens­be­reich schutz­los aus­ge­lie­fert zu sein [48]. Es wird ins­ge­samt von einer gro­ßen Dun­kel­zif­fer aus­ge­gan­gen, da der Nach­weis meist schwer zu erbrin­gen ist und Behand­lungs­teams oft vor gro­ße Schwie­rig­kei­ten stellt. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Das Münch­hau­sen-by-pro­xy-Syn­drom ist zunächst eine behand­lungs­be­dürf­ti­ge arti­fi­zi­el­le Stö­rung des Eltern­teils. Die unnö­ti­ge, her­vor­ge­ru­fe­ne Behand­lung des Kin­des ist eine Schä­di­gung, die durch Ärzt:innen und Pfle­ge­per­so­nal mit­ver­ur­sacht wird. Ist die Dia­gno­se gestellt, bleibt es eine gro­ße Her­aus­for­de­rung, Ein­sicht und The­ra­pie­mo­ti­va­ti­on bei den Betrof­fe­nen zu errei­chen. Ergän­zen­de sozi­al­päd­ago­gi­sche Maß­nah­men sind häu­fig Vor­aus­set­zung für den erfolg­rei­chen Fallverlauf. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Auch bei gering­fü­gi­gen, meist uner­kann­ten For­men des Münch­hau­sen-by-pro­xy-Syn­droms, bei denen das Kind kaum in sei­ner kör­per­li­chen Gesund­heit gefähr­det wird, bleibt die Ver­un­si­che­rung beim Kind ein wich­ti­ger Fak­tor, der bei der Bewer­tung einer mög­li­chen Kin­des­wohl­ge­fähr­dung zu berück­sich­ti­gen ist. Kin­der kön­nen in dem Krank­heits­kon­strukt der Erzie­hungs­be­rech­tig­ten kom­plett auf­ge­hen und das Gefühl für die eige­ne Gesund­heit und Unver­sehrt­heit verlieren. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • Ver­dacht der Eltern auf eine sehr sel­te­ne Erkran­kung, obwohl eine aus­führ­li­che Dia­gnos­tik erfolgt ist
  • Wie­der­hol­te Vor­stel­lun­gen in ver­schie­de­nen Gesund­heits­ein­rich­tun­gen mit unkla­ren, wech­seln­den oder als beson­ders gra­vie­rend beschrie­be­nen Sym­pto­men, die sich vor Ort nicht nach­voll­zie­hen las­sen oder Zwei­fel auf­wer­fen (Dis­kre­panz zwi­schen der Ana­mne­se und den Untersuchungsergebnissen). 
  • Zeit­li­che Ver­knüp­fung zwi­schen dem Auf­tre­ten der Sym­pto­ma­tik und der Anwe­sen­heit einer bestimm­ten Betreuungsperson 

Handlungsempfehlungen


Nierenerkrankungen

Im Kin­des­al­ter kön­nen Fehl­bil­dun­gen oder Infek­tio­nen von Nie­re und Harn­trakt behand­lungs­be­dürf­tig sein. Außer­dem kön­nen ver­schie­de­ne nephro­ti­sche Syn­dro­me und all­er­gisch-immu­no­lo­gi­sche Nie­ren­ent­zün­dun­gen (Glome­ru­lo­n­e­phri­tis mit Blut und/oder Eiweiß im Urin) sowie wei­te­re sel­te­ne­re Erkran­kun­gen unter­schie­den wer­den. Die Sym­pto­me sind viel­fäl­tig: Neben dem Ver­lust von Kör­per­sal­zen, über­schie­ßen­der Blut­an­säue­rung, ver­mehr­ter Urin­pro­duk­ti­on u. a. spielt erhöh­ter Blut­druck eine wich­ti­ge Rol­le, der im Kin­des­al­ter in über 95 % aller Fäl­le Aus­druck einer Nie­ren­er­kran­kung ist. Chro­ni­sche Nie­ren­er­kran­kun­gen gehen mit Stö­run­gen von Wachs­tum, Blut­bil­dung und Ent­wick­lung einher. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Bei schwe­ren For­men kön­nen betrof­fe­ne Kin­der nur mit­tels Nie­ren­er­satz­the­ra­pie (Dia­ly­se) über­le­ben. Es wird dann immer eine Nie­ren­trans­plan­ta­ti­on ange­strebt. Um die Zeit bis zur Trans­plan­ta­ti­on zu über­brü­cken, wird in den meis­ten Fäl­len auf die Bauch­fell­dia­ly­se (zu Hau­se mög­lich) oder die Behand­lung mit Hämo­dia­ly­se (Blut­wä­sche in der Kli­nik) zurück­ge­grif­fen. Zusätz­lich neh­men die Kin­der häu­fig vie­le ver­schie­de­ne Medi­ka­men­te wie Blut­druck­sen­ker, Salz­ta­blet­ten, Ent­wäs­se­rungs­ta­blet­ten u. a. ein. Ein Teil der Patient:innen muss Trink­men­gen- und Salz­be­schrän­kun­gen beachten. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:

Ins­be­son­de­re dia­ly­se­pflich­ti­ge Kin­der und sol­che nach Organ­trans­plan­ta­ti­on erlei­den poten­ti­ell lebens­ver­kür­zen­de Fol­gen, wenn die The­ra­pie (inkl. mög­li­cher Trink­men­gen- und Salz­re­strik­tio­nen) nicht ein­ge­hal­ten wer­den. Sowohl aku­te Ereig­nis­se (schwe­re Ver­schie­bun­gen der Blut­sal­ze oder Über­wäs­se­rung) als auch lang­fris­ti­ge Schä­den (ins­be­son­de­re an Blut­ge­fä­ßen durch Blut­hoch­druck) sind die Fol­ge. Soll­te eine Trans­plan­ta­ti­on abge­lehnt wer­den, ist durch die dau­er­haft not­wen­di­ge Dia­ly­se von schwe­ren kör­per­li­chen uns sozia­len Ein­schrän­kun­gen unmit­tel­bar und in naher Zukunft auszugehen. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Die Belas­tun­gen der betrof­fe­nen Fami­li­en sind signi­fi­kant. Regel­mä­ßi­ge Medi­ka­men­ten­ga­ben, auf­wän­di­ge Diä­ten, Salz- und Trink­be­schrän­kun­gen, meh­re­re Stun­den an der täg­li­chen Dia­ly­se, ggf. Fahr­zei­ten zum nächs­ten Kin­der­dia­ly­se­zen­trum uvm. kön­nen die Res­sour­cen der Fami­li­en über­stei­gen. Je schwe­rer die Nie­ren­er­kran­kung ist, des­to schwer­wie­gen­der sind meist auch die Fol­gen man­gel­haf­ter Adhä­renz. Gene­rell ist ins­be­son­de­re ein anhal­ten­der Blut­hoch­druck sowie häu­fig auf­tre­ten­de kri­sen­haf­te Ver­schlech­te­run­gen mit einer Lebens­zeit­ver­kür­zung sowie mit genann­ten aku­ten und chro­ni­schen Pro­ble­men vergesellschaftet. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • Ent­wick­lungs­ver­zö­ge­rung
  • man­geln­de Selbstständigkeit 
  • man­geln­des Selbstbewusstsein 

Handlungsempfehlungen

  • Kon­takt­auf­nah­me zum/zur Behandler:in
  • Vor­ge­hen ent­spre­chend Flow­chart B

Organ- / Knochenmarktransplantation 

Bei irrever­si­blem Funk­ti­ons­aus­fall eines Organs ist eine Organ­trans­plan­ta­ti­on (OT) eine Mög­lich­keit die­sen Funk­ti­ons­ver­lust zu erset­zen. Im Rah­men einer OT kön­nen ent­we­der gan­ze Orga­ne oder Antei­le von Orga­nen von Ver­wand­ten oder von ver­stor­be­nen Spender:innen trans­plan­tiert wer­den. Jeder Mensch hat für ihn typi­sche Ober­flä­chen­merk­ma­le auf sei­nen Zel­len. Da der Kör­per nicht-kör­per­ei­ge­ne Struk­tu­ren als „fremd“ erkennt und die­se dann mit Hil­fe des Immun­sys­tems angreift, ist eine mög­lichst hohe Kom­pa­ti­bi­li­tät zwi­schen Spender:in und Emfänger:in wich­tig. Um das Risi­ko einer Absto­ßung wei­ter zu redu­zie­ren, müs­sen die Kin­der und Jugend­li­chen mit Immun­sup­pres­si­va behan­delt wer­den, das heißt ihr Immun­sys­tem wird medi­ka­men­tös abge­schwächt, um eine Tole­ranz gegen­über die­sen Zell­merk­ma­len zu bewir­ken. Dies führt aller­dings auch dazu, dass die Kin­der ein dau­er­haft geschwäch­tes Immun­sys­tem haben. Hin­zu kommt die Gefahr einer Über­tra­gung von Erkran­kun­gen vom Spen­der­or­gan aufs Kind. In die­sem Fall wird die Erre­ger­last regel­mä­ßig gemes­sen um bei Bedarf Medi­ka­men­te geben zu können. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Die Kin­der und Jugend­li­chen sind auf eine täg­li­che Ein­nah­me der immun­sup­pres­si­ven Medi­ka­ti­on ange­wie­sen. Es sind regel­mä­ßi­ge ärzt­li­che The­ra­pie­kon­trol­len not­wen­dig. Eine Absto­ßung ist dem Kind erst bei star­ker Ein­schrän­kung der Organ­funk­ti­on anzu­mer­ken und kann somit lan­ge unbe­merkt blei­ben. Bei einem Infekt soll­ten die Kin­der durch die Behandler:innen beur­teilt wer­den. Ins­be­son­de­re in der Anfangs­pha­se sind die Kin­der vul­nerabel für gra­vie­ren­de Infektionen. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:

Eine unzu­ver­läs­si­ge Ein­nah­me oder inad­äqua­te Dosie­rung kön­nen zu einer Absto­ßung füh­ren, die zu einem irrever­si­blen Ver­lust des Organs füh­ren kann. Eine erneu­te Lis­tung zur OT kann Jah­re dau­ern, bis es ein kom­pa­ti­bles Spen­der­or­gan gibt. Dazu kom­men die Risi­ken der Ope­ra­ti­on und der Nach­sor­ge. Die Kin­der und Jugend­li­chen kön­nen durch Aus­fall des Organs versterben. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Die Medi­ka­men­ten­ein­nah­men und The­ra­pie­kon­trol­len sind zeit­auf­wen­dig. Die Nähe zu einem Trans­plan­ta­ti­ons­zen­trum ist räum­lich bin­dend. Dies kann zu einer Über­for­de­rung der Eltern bei­tra­gen, was das Risi­ko für eine Kin­des­wohl­ge­fähr­dung erhöht. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • Krank wir­ken­des Kind 
  • Feh­len eines Medikamentenplanes
  • Ver­pas­sen der regel­mä­ßi­gen Termine

Handlungsempfehlungen

  • Kon­takt­auf­nah­me zum/zur Behandler:in
  • bei akut kran­kem Kind Vor­stel­lung Kindernotaufnahme 

Schwer- & Gehörlosigkeit / Hörminderung 

Als Hör­min­de­rung bezeich­net man eine ange­bo­re­ne oder erwor­be­ne Ver­schlech­te­rung des Hör­ver­mö­gens. Letz­te­re kann in jedem Lebens­al­ter auf­tre­ten.  Eine Hör­min­de­rung kann akut oder schlei­chend begin­nen und in ihrem Aus­maß (chro­nisch) rezi­di­vie­ren, kon­stant blei­ben oder pro­gre­di­ent ver­lau­fen. Eine Hör­min­de­rung kann ein- oder beid­sei­tig auftreten. 

Risi­ko­fak­to­ren für eine ange­bo­re­ne Hör­stö­rung sind u. a. 

  • Früh­ge­burt­lich­keit
  • Infek­tio­nen wäh­rend der Schwan­ger­schaft, bzw. Neugeborenenperiode
  • Fami­liä­re Hörstörungen

Ange­bo­re­ne Hör­stö­run­gen kön­nen iso­liert, aber auch in Ver­bin­dung mit ande­ren Sym­pto­men, Ver­än­de­run­gen oder Befun­den (sog. Syn­dro­me) auf­tre­ten. Zu einer erwor­be­nen Hör­min­de­rung kön­nen u. a. lan­ge bestehen­de Pau­ken­er­güs­se, chro­ni­sche Mit­tel­ohr­ent­zün­dun­gen oder Erkran­kun­gen des Gehirns (z. B. Ent­zün­dun­gen) füh­ren. Das wich­tigs­te Anzei­chen für eine mög­li­che Hör­min­de­rung im Säuglings‑, Klein­kind- und Kin­des­al­ter ist eine aus­blei­ben­de, ver­zö­ger­te oder gestör­te Sprach­ent­wick­lung. Wei­te­re Hin­wei­se kön­nen sein, dass ein Säug­ling ab der vier­ten Lebens­wo­che auf lau­te akus­ti­sche Rei­ze nicht reagiert oder ab dem sechs­ten Monat die Augen nicht in Rich­tung eines Geräu­sches wen­det. Ein Klein­kind, das akus­ti­sche Rei­ze außer­halb sei­nes Gesichts­fel­des nicht bemerkt und/oder es sich unpas­send auf Anspra­che ver­hält, soll­te durch einen auf kind­li­che Schwer­hö­rig­kei­ten spe­zia­li­sier­ten Arzt abge­klärt wer­den.  Bereits eine gering­gra­di­ge oder ein­sei­ti­ge Hör­min­de­rung kann in Ver­hal­tens­auf­fäl­lig­kei­ten (Kon­takt­schwä­che, Aggres­si­vi­tät) und Auf­merk­sam­keits­stö­run­gen resul­tie­ren.  Bestimm­te kör­per­li­che Auf­fäl­lig­kei­ten wie Ohr­fehl­bil­dun­gen, Gau­men­spal­te, Muko­po­lys­ac­cha­ri­do­se (Spei­cher­krank­heit) eine erhöh­te Anfäl­lig­keit für Infek­te im HNO-Bereich kön­nen auch auf Hör­min­de­run­gen auf­merk­sam machen. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Ein Mei­len­stein auf dem Weg der Dia­gno­se der ange­bo­re­nen Hör­stö­run­gen ist das uni­ver­sel­le Neu­ge­bo­re­nen-Hör­scree­ning. In den Kin­der­richt­li­ni­en ist seit 2009 ver­an­kert, dass jedes neu­ge­bo­re­ne Kind einen gesetz­li­chen Anspruch auf die­se Früh­erken­nungs­un­ter­su­chung ange­bo­re­ner Schwer­hö­rig­kei­ten hat. Nur bei einer frü­hen Erken­nung und Ver­sor­gung einer Schwer­hö­rig­keit und einem gleich­zei­ti­gen Beginn einer Hör‑, Sprach- und Früh­för­de­rung kön­nen Kin­der mit regel­rech­ten non­ver­ba­len kogni­ti­ven Eig­nun­gen den Mei­len­stei­nen einer regel­rech­ten Sprach­ent­wick­lung nor­mal­hö­ren­der Alters­ge­nos­sen fol­gen. Aber sie kön­nen es dann! Hier gilt, dass je frü­her eine Schwer­hö­rig­keit fest­ge­stellt wird, umso grö­ßer die Chan­cen sind, dass durch eine opti­ma­le Ver­sor­gung des Kin­des die Ent­wick­lung best­mög­lich geför­dert wird. In den meis­ten Fäl­len ist in der Fol­ge neben einer guten Sprach­ent­wick­lung eine weit­ge­hend nor­ma­le sozia­le Ent­wick­lung des Kin­des zu erwar­ten. In der Behand­lung der ange­bo­re­nen Hör­min­de­rung wird heu­te inter­dis­zi­pli­när agiert. Eine früh- und recht­zei­ti­ge Hör­ge­rä­te­ver­sor­gung sowie eine gleich­zei­tig begin­nen­de Hör‑, Sprach- und Früh­för­de­rung sind indi­ziert. Setzt die Sprach­ent­wick­lung trotz früh­zei­ti­ger Hör­ge­rä­te­ver­sor­gung nicht ein, wird heut­zu­ta­ge die Mög­lich­keit einer Coch­lea-Implan­tat-Ver­sor­gung über­prüft. Für den Sprach­er­werb ist eine Coch­lea-Implan­tat-Ver­sor­gung inner­halb des ers­ten Lebens­jah­res emp­feh­lens­wert. Fehl­bil­dun­gen des äuße­ren Ohres und des Mit­tel­oh­res kön­nen ab dem 4. Lebens­jahr ope­ra­tiv ver­sorgt wer­den. Asso­zi­ier­te Fehl­bil­dun­gen sol­len eben­falls behan­delt wer­den. Regel­mä­ßi­ge Unter­su­chun­gen als Kon­trol­le sind unab­ding­bar, um eine Ver­schlech­te­rung der Hör­min­de­rung früh- und recht­zei­tig zu erken­nen. Eltern kön­nen vom Besuch von Selbst­hil­fe­grup­pen pro­fi­tie­ren, in denen sie sich mit ande­ren Eltern betrof­fe­ner Kin­der aus­tau­schen kön­nen. Die The­ra­pie erwor­be­ner Hör­stö­run­gen rich­tet sich v. a. nach der jewei­li­gen Ursa­che sowie dem Aus­maß des Hör­ver­lus­tes. Bei einem Pau­ken­er­guss z. B. kom­men zunächst cor­ti­son­hal­ti­ge Nasen­trop­fen bzw. ‑sprays bei bekann­ten All­er­gien mit Betei­li­gung der Nase, abschwel­len­de Nasen­trop­fen bzw. ein abschwel­len­des Nasen­spray und ein Nasen­bal­lon zur bes­se­ren Belüf­tung der Pau­ken­höh­le zum Ein­satz sowie u. U. die ope­ra­ti­ve Ein­la­ge eines Pau­ken­röhr­chens, damit sich die Schleim­haut im Mit­tel­ohr erho­len kann und das Mit­tel­ohr dau­er­haft belüf­tet ist. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:

Wenn ein Kind seit sei­ner Geburt an einer Hör­min­de­rung lei­det und die­se nicht behan­delt wird, schränkt die­se die Laut­sprach­ent­wick­lung deut­lich ein, sie kann auch völ­lig aus­blei­ben. Je spä­ter die Schwer­hö­rig­keit des Säug­lings, Klein­kin­des oder Kin­des dia­gnos­ti­ziert und the­ra­piert wird, des­to schwer­wie­gen­de­re Fol­gen kann die Schwer­hö­rig­keit haben. Die kur­zen Zeit­fens­ter in der sen­si­blen Ent­wick­lung füh­ren bei einer nicht aus­rei­chen­den Wei­ter­lei­tung von Hör­ein­drü­cken über die Laut­spra­che oder die visu­el­len Ein­drü­cke über die Gebär­den­spra­che an das Hör- und Sprach­zen­trum im Gehirn, dass die­se Gehirn­struk­tu­ren lebens­lang min­der­ent­wi­ckelt blei­ben. Die­ses kann zu schwer­wie­gen­den Behin­de­run­gen in der sozio-emo­tio­na­len und kogni­ti­ven Ent­wick­lung füh­ren. Eine nicht behan­del­te, sich ver­schlech­tern­de Ein­schrän­kung des Gehörs kann die voll­stän­di­ge Gehör­lo­sig­keit zur Fol­ge haben. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Kin­der und Jugend­li­che mit Hör­min­de­rung haben ein erhöh­tes Risi­ko, Opfer einer Kin­des­wohl­ge­fähr­dung, sowohl im fami­liä­ren und dar­über hin­aus in ihrem all­täg­li­chen Umfeld zu wer­den. Es ergibt sich für die betrof­fe­nen Kin­der eine erhöh­te Schwie­rig­keit, sich ande­ren Men­schen anzu­ver­trau­en und ihre Sor­gen und Ängs­te zu kom­mu­ni­zie­ren. Auch eine Gefähr­dungs­ein­schät­zung gestal­tet sich in die­sen Fami­li­en und Umfeld erschwert. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • ver­zö­ger­te, gestör­te oder aus­blei­ben­de Lautsprachentwicklung 
  • Druck­ge­fühl oder Schmerz im Bereich der Ohren, plötz­li­cher Hörverlust 
  • Ver­hal­tens­auf­fäl­lig­kei­ten (z. B. Kon­takt­ver­hal­ten, Reak­ti­on auf Anspra­che, Aufmerksamkeitsstörungen) 
  • sozia­ler Rückzug 

Handlungsempfehlungen

  • genaue Beob­ach­tung durch Eltern/ Erziehungsberechtigte 
  • bei Ver­dacht auf Hör­min­de­rung Kin­der­arzt aufsuchen 
  • bei fort­be­stehen­dem V.a. Hör­min­de­rung Unter­su­chung durch Facharzt/ Fach­ärz­tin für Pho­nia­trie und Pädaudiologie 
  • Besu­che und ins­be­son­de­re Gefähr­dungs­ein­schät­zun­gen bei Bedarf zusam­men mit einem Gebärdensprach-Dolmetscher 
  • wei­te­re, detail­lier­te­re Infor­ma­tio­nen: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/hno/ohrenerkrankungen/hoerverlust-kinder
  • Vor­ge­hen ent­spre­chend Flow­chart B

Sehstörungen / Blindheit 

Unter Blind­heit (Amau­ro­se) wird eine Seh­leis­tung von < 2 % auf dem bes­se­ren Auge ver­stan­den. Als seh­be­hin­dert wer­den Men­schen bezeich­net, die bis zu 30 % ihrer Seh­kraft besit­zen. Hoch­gra­dig seh­be­hin­der­te Men­schen haben nur noch 5 % Seh­ver­mö­gen. Die Ursa­chen für eine Seh­be­hin­de­rung kön­nen ange­bo­ren (z. B. Röteln­in­fek­ti­on wäh­rend der Schwan­ger­schaft, Früh­ge­burt­lich­keit, gene­ti­sche Defek­te) oder erwor­ben sein (z. B. Hirn­blu­tun­gen, Netz­haut­ab­lö­sung, Unfäl­le, Erkran­kun­gen wie grau­er und grü­ner Star). Die wich­tigs­ten Hin­wei­se auf eine mög­li­che Seh­be­hin­de­rung oder Blind­heit sind man­geln­des Fixie­ren, Augen­zit­tern (Nys­tag­mus), Blend­emp­find­lich­keit, wei­ßer Pupil­len­re­flex beim direk­ten Anleuch­ten. Blin­de Babys sind zudem oft inak­tiv, weil der opti­sche Reiz zum Grei­fen oder Dre­hen fehlt. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Wer­den Erkran­kun­gen und Risi­ken recht­zei­tig erkannt, kann in man­chen Fäl­len (Grau­er Star/Katarakt oder Güner Star/Glaukom durch eine Ope­ra­ti­on die Erblin­dung ver­hin­dert wer­den. Die meis­ten For­men der Blind­heit oder Seh­be­hin­de­rung sind jedoch nicht heil­bar. Hier ist eine frü­he För­de­rung des evtl. vor­han­de­nen Seh­res­tes und der übri­gen Sin­ne not­wen­dig, um den Betrof­fe­nen durch das Erler­nen bestimm­ter Fähig­kei­ten ein mög­lichst eigen­stän­di­ges Leben zu ermög­li­chen. Zusätz­li­che Hil­fen kön­nen Lupen, tech­ni­sche Hilfs­mit­tel sowie der Umgang mit dem Blin­den­stock sein. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:

Wer­den seh­be­hin­der­te Kin­der im Umgang mit ihrer Ein­schrän­kung unzu­rei­chend geför­dert sind sie oft so stark in ihrer Lebens­wei­se ein­ge­schränkt und von ande­ren abhän­gig, dass ihr Selbst­be­wusst­sein und Selbst­wert­ge­fühl lei­det. Dies erhöht das Risi­ko für sozia­le Iso­la­ti­on, Ein­sam­keit und Depres­si­on. Dar­über hin­aus besteht für seh­be­hin­der­te Men­schen ein erhöh­tes Risi­ko für Unfäl­le. Die­ses Risi­ko steigt erheb­lich, wenn die Betrof­fe­nen die Selbst­schutz- und Stock­tech­ni­ken nicht erlernt haben. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Men­schen mit einer Seh­be­hin­de­rung sind häu­fi­ger von Kin­des­miss­hand­lung betrof­fen als sehen­de Men­schen. Neben (sexu­el­ler) Gewalt spie­len Ver­nach­läs­si­gung und man­geln­de För­de­rung eine Rol­le. Die Gefähr­dungs­ein­schät­zung kann in einer Fami­lie mit seh­be­hin­der­tem Kind erschwert sein. Wich­tig zu beden­ken ist, dass seh­be­hin­der­te Kin­der eben­so gut ler­nen kön­nen wie sehen­de und sich dem­entspre­chend ent­wi­ckeln soll­ten. Eine Kin­des­wohl­ge­fähr­dung kann ent­ste­hen, wenn den betrof­fe­nen Kin­dern nicht die Mög­lich­keit gege­ben wird an Früh­för­der­maß­nah­men teil­zu­neh­men und die selbst­stän­di­ge Bewäl­ti­gung des All­tags zu erlernen. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • Ent­wick­lungs­ver­zö­ge­rung
  • Man­geln­de Selbstständigkeit
  • Man­geln­des Selbstbewusstsein 

Handlungsempfehlungen


Syphilis / Connatale Lues 

Syphi­lis ist eine sexu­ell über­trag­ba­re Infek­ti­on, die durch die Bak­te­ri­en Tre­po­ne­ma pall­i­dum ver­ur­sacht wird. Kin­der ste­cken sich meis­tens bei ihrer Mut­ter an, wenn die­se sich wäh­rend der Schwan­ger­schaft mit dem Bak­te­ri­um infi­ziert. Die Infek­ti­on des Fötus wird dann als Con­na­ta­le Lues bezeich­net. Die­se kann zu schwe­ren Ent­wick­lungs­ver­zö­ge­run­gen, Früh­ge­burt oder Tod des Neu­ge­bo­re­nen füh­ren. Beim Neu­ge­bo­re­nen kön­nen die Sym­pto­me kurz nach der Geburt (Lues con­na­ta prae­cox), oder auch erst jen­seits des 3. Lebens­jah­res auf­tre­ten (Lues con­na­ta tar­da). Mög­li­che Sym­pto­me eines Kin­des mit Syphi­lis sind Haut- und Ske­lett­schä­den, Seh- und Hör­stö­run­gen, Gedeih­stö­run­gen und ver­min­der­ter Intellekt. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Im Rah­men der Schwan­ger­schafts­vor­sor­ge­un­ter­su­chun­gen wird auf Syphi­lis getes­tet. Infi­zier­te Schwan­ge­re und Neu­ge­bo­re­ne wer­den mit dem Anti­bio­ti­kum Peni­cil­lin behan­delt. Somit kann die Infek­ti­on i. d. R. geheilt und eine Infek­ti­on des Fötus ver­hin­dert wer­den. Bei einer Infek­ti­on im spä­ten Schwan­ger­schafts­sta­di­um kann eine Infek­ti­on des Fötus nicht mehr ver­hin­dert wer­den. Eine Früh­zei­ti­ge The­ra­pie des Neu­ge­bo­re­nen kann das Auf­tre­ten von Kom­pli­ka­tio­nen aber ver­hin­dern. In jedem Fall einer infi­zier­ten Schwan­ge­ren sind regel­mä­ßi­ge Blut­un­ter­su­chun­gen des Neu­ge­bo­re­nen (alle 2–3 Mona­te) not­wen­dig, um die Krank­heits­ak­ti­vi­tät über­wa­chen und ggf. früh­zei­tig reagie­ren zu können. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz: 

Die The­ra­pie dau­ert in der Regel nicht län­ger als 14 Tage. Wenn die­se aller­dings für mehr als einen Tag unter­bro­chen wird muss sie neu begon­nen wer­den. Eine unzu­rei­chen­de The­ra­pie kann u. a. zu den oben genann­ten Sym­pto­men füh­ren. Bei einer unbe­han­del­ten Infek­ti­on nach der Schwan­ger­schaft durch­lau­fen Betrof­fe­ne typi­scher­wei­se 4 Krank­heits­sta­di­en, mit einem Befall des Zen­tral­ner­ven­sys­tems und damit ein­her­ge­hen­den Läh­mungs­er­schei­nun­gen im Sta­di­um 4. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Die Mehr­heit der Infek­tio­nen wäh­rend der Schwan­ger­schaft tre­ten vor dem 3. Lebens­jahr in Erschei­nung. Eine Infek­ti­on mit Tre­po­ne­ma pall­i­dum nach dem 3. Lebens­jahr legt immer den Ver­dacht auf sexu­el­le Hand­lun­gen, bei Kin­dern unter dem 10. Lebens­jahr ins­be­son­de­re auf sexu­el­le Gewalt nahe. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • Infek­ti­on jen­seits des 3. Lebensjahres 
  • Unkla­re Infektionsquelle 
  • Unklar­heit über ärzt­li­che Kontrolltermine 

Handlungsempfehlungen


Tuberkulose (Schwindsucht)

Die Tuber­ku­lo­se ist eine bak­te­ri­el­le Infek­ti­ons­er­kran­kung, die meis­tens die Lun­ge, gera­de bei Säug­lin­gen und Kin­dern aber häu­fig auch ande­re Orga­ne, wie Kno­chen, Harn­trakt und Gehirn betrifft. Infek­ti­ons­quel­len sind Erkrank­te mit einer soge­nann­ten offe­nen Tuber­ku­lo­se. Die Über­tra­gung erfolgt über die Luft, wobei das Infek­ti­ons­ri­si­ko gerin­ger ist als bei vie­len ande­ren Erkran­kun­gen (wie Wind­po­cken oder Masern) und von meh­re­ren Fak­to­ren (Dau­er und Nähe des Kon­tak­tes, Bak­te­ri­en­zahl des Erkrank­ten, Immun­sta­tus der Kon­takt­per­son) abhän­gig ist. Kin­der unter 10 Jah­ren kön­nen in der Regel kei­ne ande­ren Men­schen anste­cken. Klas­si­sche Sym­pto­me sind anhal­ten­der (u. U. blu­ti­ger) Hus­ten, Fie­ber, nächt­li­ches Schwit­zen und Gewichts­ab­nah­me. Erkrank­te Kin­der zei­gen aber in über der Hälf­te der Fäl­le kei­ne Sym­pto­me und fal­len nur durch eine ver­zö­ger­te Ent­wick­lung auf. Nur ein Teil der Infi­zier­ten Per­so­nen erkrankt an Tuber­ku­lo­se, wobei das Risi­ko für Klein­kin­der und immun­ge­schwäch­te Per­so­nen (z. B. HIV-Infi­zier­te) mit 20–40 % deut­lich erhöht ist. 

Behandlung/Behandelbarkeit:

Tuber­ku­lo­se kann meist gut behan­delt wer­den. Die übli­che Behand­lung dau­ert 6 Mona­te. Betrof­fe­ne erhal­ten Anti­bio­ti­ka, die die Bak­te­ri­en abtö­ten. In den ers­ten 2 Mona­ten vier Wirk­stof­fe, in den fol­gen­den Mona­ten zwei. Die ent­schei­den­de Vor­aus­set­zung für eine wirk­sa­me The­ra­pie ist die regel­mä­ßi­ge Ein­nah­me der Medi­ka­men­te. Die­se muss bei Kin­dern immer unter Auf­sicht erfol­gen. Nach 2–3 Wochen The­ra­pie sind Betrof­fe­ne in der Regel nicht mehr anste­ckend. Bei Erkran­kung eines Kin­des ist es sinn­voll im Umfeld nach der Infek­ti­ons­quel­le zu suchen. Kin­der, die Kon­takt zu einer anste­cken­den Per­son hat­ten soll­ten pro­phy­lak­tisch ein Anti­bio­ti­kum über meh­re­re Mona­te ein­neh­men, um eine Erkran­kung zu ver­hin­dern. Erwach­se­ne Kon­takt­per­so­nen soll­ten auf tuber­ku­lo­se­ver­däch­ti­ge Sym­pto­me, ins­be­son­de­re Hus­ten unkla­rer Her­kunft ach­ten. Eine Imp­fung wird in Deutsch­land seit 1998 nicht mehr empfohlen. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:

Wenn die Medi­ka­men­te nicht plan­mä­ßig ein­ge­nom­men wer­den kön­nen Betrof­fe­ne anste­ckend blei­ben und erhöht sich das Risi­ko für die Aus­bil­dung von Resis­ten­zen, also dem Unwirk­sam wer­den der Medi­ka­men­te. Kin­der haben bei unzu­rei­chen­der The­ra­pie ein hohes Risi­ko, dass die Tuber­ku­lo­se auf ande­re Orga­ne über­greift. Ohne Behand­lung ster­ben etwa 7 von 10 Erkrankten. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Die Ein­nah­me der Medi­ka­men­te ist für betrof­fe­ne Kin­der lebens­er­hal­tend. Wenn von den Erzie­hungs­be­rech­tig­ten die plan­mä­ßi­ge Ein­nah­me nicht sicher­ge­stellt wird, stellt dies eine Gefahr für das Kin­des­wohl dar. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • Feh­len fes­ter Regeln bei der Tabletteneinnahme 

Handlungsempfehlungen


Zystische Fibrose (Mukoviszidose, CF) 

Die zys­ti­sche Fibro­se (CF) ist eine ver­erb­te Stoff­wech­sel­er­kran­kung. Eine Muta­ti­on führt zur Funk­ti­ons­stö­rung eines Ionen-Kanals der Zell­mem­bran und zu einer Ein­di­ckung von Sekre­ten diver­ser Drü­sen­zel­len. Meist mani­fes­tiert sich die CF ent­we­der unmit­tel­bar nach der Geburt durch Darm­ver­schluss oder im frü­hen Lebens­al­ter in Form von häu­fi­gen Atem­wegs­in­fek­ten und/oder von Fett­stüh­len und Gedeihstörungen. 

Lang­fris­tig füh­ren die häu­fi­gen Atem­wegs­in­fek­te zu einem Lun­gen­ver­sa­gen. Die Schä­di­gung wei­te­rer Drü­sen kann zu Dia­be­tes, Leber­ver­sa­gen und zu Unfrucht­bar­keit führen.

Behandlung/Behandelbarkeit:

Die CF gehört zu den im Neu­ge­bo­re­nen-Scree­ning erfass­ten Erkran­kun­gen. Für bestimm­te Muta­tio­nen gibt es kau­sa­le, gen­the­ra­peu­ti­sche Ansät­ze. Dane­ben erfolgt eine sym­pto­ma­ti­sche The­ra­pie ent­spre­chend der Kli­nik mit dem Ziel die Lebens­qua­li­tät und Lebens­er­war­tung zu ver­bes­sern. Die The­ra­pie ist bestimmt durch regel­mä­ßi­ges Inha­lie­ren, viel Phy­sio­the­ra­pie, häu­fi­ge Arzt­ter­mi­ne und Kran­ken­haus­auf­ent­hal­te. Der zeit­li­che Auf­wand ist für die betrof­fe­nen Fami­li­en beträcht­lich. Bei fort­ge­schrit­te­nem Krank­heits­ver­lauf wer­den häu­fig Leber- und/oder Lun­gen­trans­plan­ta­tio­nen not­wen­dig. Die Lebens­er­war­tung eines Neu­ge­bo­re­nen mit zys­ti­scher Fibro­se liegt aktu­ell bei 53 Jahren. 

Konsequenzen bei mangelnder Therapieadhärenz:

Wer­den den Betrof­fe­nen kei­ne Ver­dau­ungs­en­zy­me zuge­führt, gera­ten die betrof­fe­nen Kin­der in eine Unter­ernäh­rung mit dar­aus fol­gen­den Wachs­tums- und Gedeih­stö­run­gen. Ohne adäqua­te The­ra­pie der Atem­wegs­sym­pto­me füh­ren die häu­fi­gen Infek­tio­nen zu einem fort­schrei­ten­den Funk­ti­ons­ver­lust der Lun­ge. Ohne aus­rei­chen­de Kon­trol­len des Elek­tro­lyt­haus­hal­tes erlei­den vie­le Betrof­fe­ne ein Salz­ver­lust­syn­drom mit Mus­kel­zit­tern/-krämp­fen, Kopf­schmer­zen, Schwin­del und Ver­wirrt­heit. Gene­rell muss gesagt wer­den, dass das Fort­schrei­ten von vie­len der Sym­pto­me heut­zu­ta­ge ver­lang­samt, aber nicht auf­ge­hal­ten wer­den kann. Somit ist auch bei opti­ma­ler The­ra­pie damit zu rech­nen, dass die Betrof­fe­nen im Fort­schrei­ten­den Erwach­se­nen­al­ter an Dia­be­tes, Osteo­po­ro­se, Unfrucht­bar­keit und Leber­funk­ti­ons­stö­run­gen lei­den können. 

Risiko einer Kindeswohlgefährdung: 

Die Umfas­sen­den The­ra­pien bestim­men maß­geb­lich den All­tag der betrof­fe­nen Fami­li­en. Das Risi­ko für eine Über­for­de­rungs­si­tua­ti­on der Eltern ist erhöht. Durch den hohen zeit­li­chen Auf­wand sind Geschwis­ter­kin­der von Ver­nach­läs­si­gung bedroht. 

Red Flags (Warnzeichen)

  • Gedeih­stö­run­gen

Handlungsempfehlungen